A. Schuler, Plaus - Aufsteiger im Jahr 2008 (c) dege

RÜCKBLICK AUF DEN SCHULER AUS PLAUS

Georg Dekas
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19. April 2023

Arnold Schuler aus Plaus bewirbt sich 2023 wieder für den Südtiroler Landtag. Von seiner Partei (SVP) wurde der amtierende Landesrat im April für den Bezirk Burggrafenamt nominiert. Mit spärlichem Vertrauensvorschuss aus der Basis. Vor 15 Jahren war die politische Welt des Arnold Schuler noch eine ganz andere. Dazu ein Porträt aus 2008 im August, bei dem einem fast nostalgisch zumute wird.

 

A Plaus

von Georg Dekas

 

Plaus ist die kleinste Gemeinde im Apfelkönigreich. Im Kleinen ist sie ganz Groß. Einer, der daran nicht ganz unbeteiligt ist, ist Arnold Schuler, der ewig junge Bürgermeister. Was es mit Plaus, seinem Bahnhof und den Plauser Gesprächen auf sich hat.

 

Na gut, es ist nur eine kleine Gemeinde. Früher, da ging es in Plaus um nix. Jedenfalls in den Augen der viel größeren und im Fremdenverkehr längst schon ordentlich verdienenden Naturnser. Dort unten in den Mösern, jenseits der Etsch und weit weg vom Sonnenberg! Kamen Plauser herauf, so wurden sie im Gasthaus manchmal mit QuaQua begrüßt – schaut her, da kommt ein Plauser Frosch! Aber wie so oft stellen sich die Kleineren und die Verlachten besser auf die Hinterfüße als die Verwöhnten. Heute gibt es tatsächlich noch einen Frosch in Plaus, einen großen sogar und grün ist er dazu. Aber der ist aus einem Buchsbaum geschnitten und ziert den Rathausplatz vor der Kassa. So nennt man hierzulande die ortsübliche Bank. Frosch und Bank, auch das ein Stück Plauser Selbstbewußtsein. Denn in den letzten dreißig Jahren sind die Plauser oft ein- und ausgegangen in ihrer Kassa. Am Anfang standen das Einbetten der Etsch und das Trockenlegen der Möser. Dann kam der ertragreiche Obstbau dazu, und am Ende entdeckten die urlaubenden „Fremmen“ das ruhige und wohl auch günstigere Örtchen am Fluss.

Plauser Möser - Aus Schilfkolben wurden Äpfel (c) dege Aug 2008

 

Arnold Schuler und seine Generation überließen nichts dem Zufall. Wer heute nach dem Bahnübergang an der Etsch schnurstracks auf das kleine Dörfchen zugeht, der staunt nicht schlecht. Die Bauernhöfe scheinen sich zurück gezogen zu haben und liegen, vorzugsweise als Pensionen getarnt, inmitten ihrer eigenen, ausgedehnten Baumzeilen. An der Hauptstraße gibt es diese Reihung: Gasthaus, Hotel, Wohnhaus, Speckladen, Gasthaus, Hotel, Wohnhaus, Souvenirs. Erst dann kommt man zu Bank, Kirche, Schule und Kindergarten, Dorfcafè und Rathaus: alles blitzblank, nagelneu, und so schön her gerichtet, wie es dem Geschmack des einzelnen Eigentümers halt so vorkam. Mustergültiges Miniformat. Hier hat eine freisinnige Dorfgemeinschaft tüchtig gewerkelt und dazu noch die Kirche schön im Dorf gelassen. Der Plaus-Urlauber übrigens scheint genauso aufgeräumt, ja so arbeitsam zu sein, wie die Einheimischen auch. Am späten Vormittag an diesem sonnigen Augusttag kein Trubel im Dorf. Wahrscheinlich sind die Gäste brav beim Wandern oder radfahren – oder so manches Gästebett steht leer. Wenigstens was die Wohnbevölkerung betrifft, trügt der Augenschein: „Wir haben einen starken Zuzug von jungen Leuten“, sagt Arnold Schuler.

Plaus 'Plitzplank' mit Bürgermeister A. Schuler (c) dege 2008

 

Arnold Schuler hat an diesem 19. August Geburtstag, 46 Jahre, Jahrgang 1962. Seine beiden Kinder sind erwachsen, der Hof ist bestellt. Der Arnold steht seiner Gemeinde vor, führt als Obmann den Verband der Gemeinden Südtirols, ist aufgestellt für die Wahl zum Südtiroler Landtag in diesem Herbst. Als er 22 war, wurde er das erste Mal von seinen Plausern zum Bürgermeister gewählt.

Damals, 1985, war er der jüngste Bürgermeister in der ganzen Republik. Und ebenso draufgängerisch, aber brav und zielstrebig, wie die Südtiroler halt sind, gestaltete sich die Zukunft des kleinen Plaus unter Arnold Schuler. In den letzten zehn Jahren hat sich die Bevölkerung von Plaus fast verdoppelt und die Kinder vervierfacht. „Damals hatten wir 8 Kinder im Kindergarten und 17 in der Schule. Heute sind es zusammen an die hundert Kinder“, zählt Schuler nach.

Der „Reasler“-Bauer, der seinen Obstbetrieb ganz Sohn Hannes überläßt, hat nicht nur Kinder, Äpfel und ein putzmunteres Dorf zu bieten. Auf einen Plauser würden tausend Schweine kommen, führt der Arnold aus. Gemeint sind damit natürlich nur jene, die von auswärts kommen und hier von einem großen Betrieb in edlen Speck verwandelt werden. Nach so viel Wachstum tut es gut, sich an den Dorfbrunnen zurückzuziehen, in den Schatten einer über hundertjährigen Esche. Aber selbst die ist so mächtig, dass man vor den Plausern schon wieder Respekt bekommen muß. Die säbeln das Alte nicht einfach nieder! Eindrücklich beweisen das zwei kleine Häuschen, die in der Mitte des Dorfes den Fortschritt erst erkennbar machen. Das alte Haus des Schneiders und steht in bester Nachbarschaft mit einer Bettenburg Marke Alpenromantik. Die einstige Dorfschule, die noch dazu als Gemeindeamt dienen mußte, schämt sich weder für ihr Alter noch für die ärmlichen Verhältnisse von früher. Irgendwie stolz schaut sie herüber auf das, was der Arnold ihr zur Nachfolge neu gebaut hat. So können sich beide sehen lassen, die Vergangenheit und die Gegenwart.

 

Prunkstück Vinschger Bahn hält in Plaus (c) dege 2008

Darum geht es auch beim Plauser Bahnhof. Er ist so ein bißchen unser Aushängeschild, unser Bahnhof, findet Schuler. Schließlich sei man in einer führenden Architekturzeitschrift in einem Zug mit Bauwerken der großen Welt genannt worden. Der Bahnhof – noch etwas zum Vorzeigen, sicher. Mehr Skulptur als Schrift, zeigen frei stehende, mannshohe Buchstaben an, dass der Vinschger und der Landszug jetzt in Plaus hält. Für den beginnenden Plaus-Kenner ist es einfaches Kennzeichen: kleiner Bahnhof, großes Plaus. Arnold Schuler, der auch im gewachsenen Pläuschen seinen klaren Sinn für Realitäten nicht verloren hat, deutet damit eine neue Fahrtrichtung an: das Große im Kleinen, das ist Qualität. Tausend Schweine hin  oder her – es zählt nicht immer das mehr und mehr, sondern irgendwann auch die Güte. Wer klein ist, der kann wachsen. Wer darüber hinaus auch noch gut ist, der wird nicht ins Unendliche wachsen, sondern der besinnt sich auf seine Stärken. Im Kleinen groß, das ist  Plaus und sein Bahnhof. Noch eine Geschichte, die Arnold Schuler erzählt, paßt da hinein. Zu des Kaisers schönen Zeiten, als die Kurstadt Meran noch eine solche und das dortige Kurbad noch lange kein Hallenbad mit Kunstnamen war, da dachten sich die Hochwohlgeborenen eine kleine Ehre auch für Plaus aus: Plaus, das war der Kurort für die Rösser. Ach, richtig, man bewegte sich damals ja mit Hilfe von Lebewesen fort, und auch die sollten es gut haben. Wir wollen nicht sagen, dass Plaus damit sozusagen die Garage der Kurstadt war, aber die sauren Gräser der Etschauen haben den Pferden der Herrschaften wohl besonders gut getan, vermutet Arnold Schuler. Was das mit dem Bahnhof zu tun hat? Doch, hat es. In der Folge verlegten sich die Plauser auf das Fuhrwesen mit Roßgespannen, so auch Großvater Schuler. Und als um 1900 die Eisenbahn durch das Vinschgau gebaut wurde, um über Landeck das südliche Tirol mit Vorarlberg und Graubünden anzuschließen, da fürchteten die Fuhrleute um ihr Gewerbe. Da sie die Bahn und ihre Güterzüge nicht verhindern konnten, wollten sie wenigstens nicht einen Bahnhof vor ihrer Nase haben. Als dann der erste Zug fuhr, standen die Plauser mit einem Spruchband bei den Geleisen. Darauf war zu lesen: Wir wollen einen Bahnhof! Die Bezirkshauptmannschaft hatte ein Einsehen und erteilte die Erlaubnis – allerdings, bauen mußten die Plauser ihren Bahnhof jetzt mit eigenen Mitteln. Entsprechend mager fiel das Ergebnis aus. Wieder ein Lehrstück. Nicht einmal auf Rossäpfeln kann man sich ausruhen und das Fortschreiten der Zeit verhindern.

Radeln statt Rösser - Plaus August 2008 (c) dege

 

Ausruhen, das hat der sanft umtriebige Schuler gar nicht vor. Gerüstet mit seiner Erfahrung als Bürgermeister ist er Spezialist für Gemeindefinanzen. Als Obmann des Gemeindenverbandes rechnet er dem Land und seinem Chef ziemlich deutlich vor, wo die Schwachstellen in diesem so reichen Land liegen. Achtung vor der Schuldenfalle, sagt er, und stellt die typisch plauserische oder besser, plausible Frage: Warum muß alles das große Land mit großem Chef und Verwaltungsapparat machen wollen? Die Autonomie sei nur bis Bozen gekommen. Zeit, sie weiterzutragen und neue Freiräume für die freiere und eigenständige Gestaltung durch Bürger und Gemeinden zu schaffen, mahnt Schuler. ‚Moh, du getrausch di wos zu sogn‘, hört er hin und wieder von den Leuten. Dabei sage ich nur meine Meinung, sagt der Arnold. Leichte Untertreibung. Schließlich rechnet der Plauser es den Gemeinden und der Öffentlichkeit exakt vor, in welches Finanzloch sie hineingeraten, wenn sie ihre Schulden vom unerschöpflich scheinenden Füllhorn des Landes immer wieder zudecken lassen. „Letztlich werden wir nicht an dem gemessen werden, was wir gebaut haben, sondern an dem, was wir unseren Kindern weitergeben“, ist ein Satz von Schuler. Es geht nicht nur um das Geld. Es geht um die Rolle und das Gewicht der Politik in diesem Land. Zeit, vom schieren Wachstum in eine neue Qualität überzugehen. „Dazu braucht es einen Schnitt, ein Innehalten, ein Nachdenken“, sagt der Bürgermeister ebenso besonnen wie herausfordernd.

Willkommen in Plaus (c) dege Aug 2008

 

Und weil er so etwas nicht gerne allein tut, hat er eine Dutzendschaft von Leuten nach Plaus geladen, einfach um zu reden. Nur eines: Aus allen Bereichen müssen sie kommen, sich unabhängig von Ständen, Lobbys und Parteilogos über das Gemeinsame klar werden. Sich austauschen, Zeit haben für Gespräche ohne vorgegebene Tagesordnung. Am Montag, den 18. August 2008 hat sich der Kreis das erste Mal getroffen und sofort ausgemacht, dass es eine Fortsetzung geben würde. Es scheint, als ob sich aus diesen Gesprächen ein „Plauser Kreis“ entwickeln wollte. Es riecht nach Leuten mit ausgeprägtem Selbstbewußtsein aus dem nachwachsenden Gehölz, versetzt mit der vorsichtig interessierten Noblesse von altgedienten Parteipferden und Beamten im Ruhestand, die noch Pulver in der Büchse haben. Auf der anderen Seite hat es Schuler verstanden, jene Männer und Frauen in den besten Jahren zu versammeln, welche in Umrissen die „Generation Nr. 3“ der Südtiroler Autonomie bilden. „Wie gesagt, wir haben uns zu einem zwanglosen Gespräch getroffen und festgestellt, dass die Politik alle Lebensbereiche überwuchert und dabei ist, sich in ihrem eigenen Wachstum zu verfangen. Sie sollte sich auf ihre Kernbereiche zurück besinnen, die Leitlinien und die Programme vorgeben, aber Freiräume nach unten schaffen für Eigentätigkeit. Welche Lösungen es dafür gibt, haben wir noch nicht besprochen, das braucht Zeit“, betont der Plauser Gesprächszünder.

 

 

 

Junger Langzeitbürgermeister und frischer Landtagskandidat Arnold Schuler (c) dege 2008

 

Nun ist der Schuler aber auch Anwärter zum Südtiroler Landtag: „Ich kann nur für mich persönlich sprechen, aber ich bin, was den Landtag betrifft, sehr für ein Volksparlament, wie anderswo“. Bezüge geringer, Sitzungen effektiver, jeder Abgeordnete sollte nebenher seinem angestammten Beruf nachgehen können. Der Schuler hat recht. Das wäre echte Erneuerung. Qualität gewinnen mit kleinen, praktischen Zügen. Plauser Plaudereien könnten helfen, einige Sumpfkröten trocken zu legen. Applaus: A Plauser tät‘ dem Land gut.

 

 

(Erschienen in „Die Baz“, 2008)

 

 

NACHTRAG 01

 

Arnold Schuler wurde bei den Landtagswahlen im Oktober 2008 mit einem Spitzenergebnis auf Kosten der alten Paradepferde Laimer und Unterberger gewählt.

 

NACHTRAG 02

 

So habe ich die Ergebnisse der Landtagswahl von 2008 kommentiert:

 

Was Wähler wollen

 

Wir freuen uns auf die erholsame Zeit des Lesens von Zeitungen ohne große Köpfe und Politik in Hochglanz. Froh werden auch die Farbfotoköpfe sein, dass der Wahlkampf vorbei ist, in dem sie alle ihre Haut zu Markte haben tragen müssen. Reklame hin oder her, der Tausendfüßler Volk hat letztlich eine weise Entscheidung getroffen. Das Land ist regierbar geblieben, die Gewählten haben eine ordentliche Auffrischung bekommen, und die Opposition hat gute Möglichkeiten für eine sportliche Rolle im gestärkten Wettbewerb der Ideen. Ja, wir haben uns die Augen gerieben über das Steigen und Fallen der Anwärter. Beeindruckend die gewaltige Stimmenflut für Pius und Ulli. Überraschend der Stimmensturz von Julia, der ganz besonderen „ArbeitnehmerIn“. Aber auch der Aderlass unseres Burggräfler Landesrates und seiner Kollegin, die mit dem Frosch. Da waren viele sprachlos. Auf der anderen Seite die Erneuerung: Josef Noggler steht für Vinschger Kraft und Selbstwert weitab von Bozen; der bodenständige Arnold Schuler denkt mit dem eigenen Kopf und will weniger „Land“ und weniger Schulden; Christian Egartner ist der Kerl vom Bau, der anpackt. Der einzige Durnyboy, der echt zugelegt hat, ist Richard Theiner. Er hat ein Gespür für das, was die Leute wollen und geht dafür auch gegen den Wind. Dass der Rolle so weit nach oben gewählt wurde, ist wohl eher Geheimnis des Glaubens für einen, der wie der nette Kooperator von der Pfarrgemeinde wirkt.

 

Die Wähler haben deutlich gezeigt, was sie wollen und was sie nicht putzen können. Nun kommt es darauf an, dass unser aller Luis das auch in die Tat umsetzt. Dazu brauchen wir ihn und keinen anderen. Nur nicht auf die alten Sessel fallen, als ob nichts geschehen wäre! Die Ernte ist mager genug ausgefallen, mit Feuerbrand und so. Jetzt heißt es Baumschneiden, Holz verjüngen und die richtigen Triebe gehen lassen. Auch in der Landesregierung. Sonst pickt auf den Landesäpfeln in fünf Jahren nicht mehr die Edelweiß-Marke drauf. Und weil wir schon in der Land-Wirtschaft sind: Nicht dass es jemandem einfällt, jetzt noch mehr Kunstdünger auszutragen, in der Erwartung, dass die eigenen Äpfel umso besser wachsen. Mehr Bio ist gefragt. Lasst die kleinen Bäume freier wachsen. Unterstützt sie darin, anstatt sie an die Drähte und Betonsäulen des Landes anzubinden und sie mit Beiträgen zu überdüngen.

 

(Erschienen in „Die Baz“, 2008)

 

NACHTRAG 03

 

In der gegenwärtigen Wahlkampfrunde holt Arnold Schuler seinen alten Trick aus der Werkzeugkiste. Was 2008 der längst verschwundene „Plauser Kreis“ war, das soll jetzt von „Die Mitte“ erledigt werden. Doch der Arnold Schuler hat Patina angesetzt. Schon damals waren die Thesen des Plauser Kreises eher seichte Wahlkampfrhetorik, aber das spielte keine Rolle, weil der Mann frisch war. Mal schauen, was die „Mitte“ in den kommenden Monaten von sich gibt. Dazu wird es einen eigenen Artikel auf NUiS geben.

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