Die Standseilbahn Meran-Schenna ist beschlossen, tönen die Technokraten. Die Bürgerschaft wehrt sich. Will die Politik antäuschen und durchziehen?
Die Story für Auswärtige
Im Zuge des automobilen Tourismus hat die altehrwürdige Kurstadt Meran immer mehr Gäste an die umliegenden Orte verloren. Die meisten an die wie auf Sonnenterassen liegenden Dörfer Schenna, Tirol, Marling, Völlan. Von dort aus schwärmen die Gäste aus: In die Dolomiten, zum Gardasee, über ins hochalpine Passeiertal. Im eigenen Pkw versteht sich. Nach Meran wollen sie auch einmal, einen Bummel unter den Lauben machen oder auf den Freitagsmarkt am Bahnhof. Also herrscht durchwegs reges Autotreiben auf den Straßen. Die Einheimischen stöhnen unter Staus und Hitze, geben den Gästen die Schuld und bemerken dabei nicht, dass sie selbst den Großteil des motorisierten Privatverkehrs ausmachen. Um die konfuse Lage zu entspannen, haben seinerzeit die Passeirer Druck gemacht, um das Nadelöhr Meran umfahren zu können. Landeshauptmann Luis Durnwalder hat daraufhin gegen die inerte Meraner Verwaltung den Durchstich des Küchelberges angeordnet. Samt einer Kavernengarage für die Stadtbummler. Das Tunnel ist jetzt, nach vielen Jahren, im Bau.
Plötzlich sticht Meran der Hafer: 26% weniger privaten Pkw-Verkehr wollen sie haben. Als Mittel zum Zweck hat sich «das Land» für Meran eine Standseilbahn ausgedacht. Von Schenna hinunter nach Meran. Einen am Seil gezogenen Zug. Genau, das sind die Wagons, die man vor 150 Jahren in der Donaumonarchie gebaut hat, als es noch keine Autos gab, um die betuchten Kurgäste in ihren knöchellangen Röcken und ‚Vatermördern’ in die Gegend hinauf zu seilen.
Damit möchten Südtirols Verkehrslandesrat Daniel ‚Düsentrieb‘ Alfreider (SVP) und seine Seilschaft das Verkehrsproblem im Meraner Kessel zukunftsweisend lösen. Ach ja, die Standseilbahn soll durch den Küchelberg, in einem zweiten Bohrloch, neben der Straße. Und an den Stationen sollen dann Schwärme von Omnibussen warten, um die erwarteten Tausenden von Fahrgäste an ihr Wunschziel zu bringen.
Die Geschichte geht weiter: Der Widerstand
Ein Bürgerkomitee bildet sich, nur Tage nachdem das Projekt überfallartig am 29. August 2022 vorgestellt wurde. «So nicht!» sagen ganz zu Recht überrumpelte Bürger, denen eine anachronistische Bahn vor die Haustür gesetzt werden soll. Doch es geht nicht nur um private Befindlichkeiten und eine völlig widersinnige Endstation im Villenviertel. Das ganze Ding steht schief. Deshalb wurden über 3000 Unterschriften gegen die Bahn gesammelt, deshalb sind maßgebliche Wirtschaftskreise skeptisch, deshalb müssen die Promotoren in Schenna und im Edelweiß unablässig die Werbetrommel für ihr „Bahnl“ rühren. Dachte die Politik wirklich, sie könne ein paar Planzahlen in den Ring werfen, ein paar Schlagworte wie «nachhaltig», und ein paar geschenkte Millionen aus Rom, und alle würden dankbar katzbuckeln?
Antäuschen und durchziehen?
Doch, sie denkt das wirklich. Nach einer neuerlichen, und noch einmal verunglückten Bürgervorstellung der langfristigen Verkehrs-Strategie seitens der Politik trumpfen Beamte und Räte erneut auf.
Am 15. Feber 2023, einem Werktag, «gewähren» die Landesbeamten Einsicht und Mitsprache in ihr technisches Projekt. Sie geben Verständnis für Änderungswünsche vor. Aber der erste Satz über das Treffen aus der PR-Abteilung der Provinzverwaltung lautet «Der Bau der Standseilbahn Meran-Schenna ist bereits beschlossen.» So steht es als ursprüngliche Fassung des LPA auf einem Echo-Kanal noch zu lesen. Diesen politischen Fauxpas eines übereifrigen Funktionärs hat man aus der amtlichen Meldung entfernt.
Mit der Arroganz von Technokraten
Eben, dieser Satz spiegelt das Selbstverständnis der hiesigen Politik – die Italiener würden sagen, ihre Arroganz. Denn bei den aufgezeigten Vernunftgründen gegen die Bahn von beschlossener Sache zu reden, «la dice lunga», ist vielsagend.
Da muss die Frau Vizebürgermeisterin gar nicht so sehr den überaus gut bezahlten Landesbeamten danken, dass die sich «einen Tag nehmen», um der Bürgerschaft Rede und Antwort zu stehen. Das ist ihr Job, und die Bürgerschaft ist ihr Chef. Und um die verräterischen Worte voll zu machen, sei noch der Ingenieur zitiert, der das Wunderwerk von Mobilitätsplan mit dem sinnigen Akronym PUMS für Meran zusammenstellt. Der meinte, bezogen auf den überraschend starken und durchschlagenden Bürgerwiderstand gegen die Standseilbahn, er habe festgestellt, dass «die Privatinteressen hierzulande ganz oben stehen» (zitiert nach ‚DOLOMITEN‘, 16.02.2023, Seite 25). Ja, werter Herr, wenn Sie in Nordkorea planen würden, wäre das ganz sicher nicht der Fall! Unser demokratisches System jedenfalls beruht auf dem Schutz des privaten Eigentums, auf der Macht, die vom Volk ausgeht (und nicht von den Technikern und Behörden), und auf dem Vertrauen in wirtschaftliche Vernunft und Effizienz.
Heute ist Donnerstag, der Unsinnige. Fortsetzung folgt. Garantiert.