Zu Frühlingsbeginn zieht die Südtiroler Volkspartei (SVP) alle Blümlein sammelnd in den Wahlkampf. Ob es am Ende nicht zu bunt wird?
Pünktlich zum Frühlingsbeginn am 20. März lässt die Südtiroler Volkspartei wissen, dass sie sich auf einen Spitzenkandidaten für die Wahl zum neuen Landesparlament am 22. Oktober des Jahres geeinigt hat. Es ist, – na wer wohl? – der amtierende Landeshauptmann Arno Kompatscher aus Völs am Schlern. Gegenkandidaten gab es keinen, und so wurde in der Brixner Klausur vor Josefi auch per Akklamation abgestimmt, auf Deutsch mit offenem Handaufheben.
Der siegreiche Anwärter auf den Gouverneursstuhl für die zweite Hälfte der Zwanziger Jahre betonte, die Partei wolle eine Sammelpartei bleiben, «für alle Südtiroler». Das nahm der im Vergleich zu früheren Jahrzehnten schütter besetzte Versammlungssaal «geschlossen» zur Kenntnis – war ja auch Klausur.
Zeit für interessierte Wähler, ein paar Fragezeichen hinzuwerfen. Was heißt genau «alle Südtiroler»? Und was heißt genau «Partei»? Partei (lat. pars) heißt Teil. Ein Teil ist nicht das Ganze. Eine Partei ist ein bewusster Teil der Politik, der für einen klar umrissenen Teil der Gemeinschaft sprechen und handeln will. Ja, aber die SVP ist doch eine «Sammelpartei», vergessen? Deswegen ist sie noch lange kein All-Inclusive-Trip und kein orientalischer Bazar. Eine Sammelsurium-Partei sollte sie erst recht nicht sein.
Wenn man des Spitzenkandidaten gehätscheltes Medienkind anschaut, ahnt man, was der gute Mann unter «alle Südtiroler» versteht. Nämlich alle im Hoheitsgebiet der «Autonomen Provinz Bozen» häuslich und meldeamtlich niedergelassenen Menschen im bunten Miteinander: Das zu vertreten und zu ermöglichen er als amtierender und wohl auch künftiger Gouverneur dieser Provinz herzlich eingeladen ist. Aber in der SVP-Klausur sollte wohl eigentlich der Spitzenkandidat einer PARTEI sprechen. Einer Partei, die dem Schutz der deutschen und ladinischen Minderheit in Italien verpflichtet ist. Eine Partei, die Arbeit und Kapital, Bauern und Handel, Jugend, Frauen und Männer zu einer einzigen, kraftvollen Stoßrichtung SAMMELT. Gut, das war von 1945 bis 1975 so und hat Erfolg gebracht.
Aber heute? Wie willst du einen Bauern mit Wolfsschützern und Pestizidgegnern zusammen «sammeln»? Hotelbauer und Heimatschützer? Katholisch Konservative und Abtreibungs-Feministen? Mannsbilder und LGBTirgendwas? Ingenieure und Klimakleber? Selberdenker und Konformisten? Sind alles Südtiroler. Dabei haben wir noch gar nicht Daitsch und Waltsch gesprochen, und nicht von Albanern, Afghanen, Afrikanern…
«Ziel ist eine gerechte Gesellschaft für alle» (Kompatscher). Ist das nicht ein bissl zu dick aufgetragen für eine Partei allein? Oder will der Spitzenkandidat nur allen gefallen?
Das Parlament ist der Ort, wo alle Kräfte und Teile zusammenfinden und sich zusammenraufen müssen. Das darf nicht innerhalb einer Partei geschehen. Die dem Parlament und der Gesellschaft dann gnädig mitteilt, zu welchen After-Kompromissen sie gelangt ist. Das ist nicht nur demokratiepolitisch schief. So etwas kann auch nicht gelingen. Rein praktisch ist es ein Chaos, ein Sammelsurium, mehr noch, eine Sauerei.
Weil die gesellschaftlichen Streitfragen dann als «Gestritt» innerhalb einer Partei zutage treten, und nicht mehr als das demokratisch legitimierte Vorbringen und anschließende Abwägen aller Positionen. Das klingt dann so, als wäre die Partei uneins und es würden Leute Dinge ausplaudern und sich gegenseitig fertigmachen. Dabei ist es nicht mehr als ein Konstruktionsfehler der Konstruktion «Sammelpartei», die ihren Zenit überschritten hat. Das begünstigt wieder einzelne Presseleute, die aus dem Gestritt täglich wunderbare Schlagzeilen heraushauen können (und sogar Bücher über falsche Freunde schreiben).
Deshalb sei den Großkindern der guten alten Dame SVP gesagt: Betreibt ja keinen Etikettenschwindel! Eine Sammelpartei ist keine Buntpartei. Ein Gouverneur ist kein Parteichef und ein Parteichef kein Gouverneur. Und die Wähler, die demokratisch denken, wollen längst nicht mehr «gesammelt» werden, also eingekastelt und schön sauber «Pro-porzioniert» – Nicht in einer GroKo, Ampel oder Minestrone. Warum hat die Meloni haushoch gewonnen? Weil Leute es satt haben, von bunt gemischten Sammel-Regierungen nach hie und da und nirgendwohin gezogen zu werden. Eine Partei braucht Profil. Ein bissl was für alle ist da nicht drin. Und wenns ans Regieren geht: Auch eine Koalition von Parteien braucht Profil, und zwar vor der Wahl. Als ehrlicher Ausweis eines Teil-Verbundes der Gesellschaft. Nur das ermöglicht dem Wahlvolk eine vorhersehbare und reelle Entscheidung.
Was aber ist mit der guten alten Sammelpartei für die ethnisch-politische Minderheit? Daraus hätte längst schon ein SÜDTIROL-POOL gemacht werden müssen. Innovation anstelle von Stillstand und Worte dreschen. Noch ist es nicht zu spät.