Alte Postkarte (c) Privatarchiv

DER GEMEINSCHAFTSDIENST

Georg Dekas
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16. Januar 2023

Tausche Schuljahr gegen Wehrjahr. Wie die Verteidigungskraft gestärkt werden könnte.

Vorrede

Eigentlich sollte ich meine gesellschaftspolitischen Anregungen als Don Quixote unterzeichnen, so seltsam und undurchführbar mögen sie erscheinen. Und das heute. Am 16. Jänner 1605 erschien der erste Band von Miguel de Cervantes berühmtem Don Quixote, dem „erfinderischen“ Edelmann. („El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha“)

Zur Sache

An Stelle steriler Verlautbarungen zur Wiedereinführung des Wehrdienstes in Italien – und damit auch im „autonomen“ Südtirol – sollte besser konstruktiv überlegt werden, wie Wehrdienst neu gefasst werden kann. Spätestens seit dem Ausbrechen des offenen Ukrainekrieges im Feber 2022 stellt sich die Sache nämlich in einem anderen Licht dar als noch ein Jahr vorher. Und schließlich geht es beim Wehrdienst nicht allein um die Wehrkraft einer Nation.

Ja zum Wehrdienst

Ohne lange „Vergangenheitsbewältigung“: Der Wehrdienst ist eine gute Sache. Allerdings nicht als bloße Kopie von gestern. Die neue Zeit kennt noch ganz andere Waffen als Gewehr und Bajonett. Unter modernen technologischen Bedingungen ist die bipolare Trennung in Wehrdienst und Zivildienst (entweder-oder) überholt. Wer hinter den Linien Gemeinschaftsdienst verrichtet, bestimmt die Verteidigungsstärke eines Landes wesentlich mit. Der Wehrdienst in dieser umfassenderen Form müsste sich gleichberechtigt teilen in Dienst an der Waffe, „Intelligenz“-Dienst und „Zivil“-Dienst. Der neue Wehrdienst soll freiwillig sein, aber eine klare Vorzugsschiene in der Karriere von jungen Männern und Frauen sein.

 

Der Grundgedanke

Alle, auch die Mädchen müssen ran. Grundsätzlich. Der Wehrdienst muss vorteilhaft in die Bildungswege eingefügt werden, den Dienstleistenden merkbare Vorteile in ihrer Schullaufbahn bieten. Drittens sind die Qualität und die Dauer des Dienstes neu zu fassen.

 

Der zweistufige Wehrdienst

Der einfachste Einstieg in die Sache ist, dem Wehrdienst ein ganzes Schuljahr anzurechnen samt einen Grundstock an Bonuspunkten bei Matura und Bachelor. Es ist hier nicht der Ort, um gebrauchsfertige Modelle vorzustellen. Hier nur ein paar skizzenhafte Anregungen: Von den 10 Pflichtschuljahren In Italien (bis zum Alter von 16 Jahren, siehe Fußnote) sollte eines dem Jugend-Gemeinschaftsdienst angerechnet werden. Der einjährige JGD kann nach Abschluss der dritten ital. Einheits-Mittelschule absolviert werden, auch in Zivilschutz-Einrichtungen oder Sportstaffeln, und ergibt ein Bildungsguthaben von zwei Jahren.  Die Oberstufe ist für Wehrdienstleistende um ein Jahr kürzer. Das fünfte Jahr beim Militär gilt als Schuljahr. Die Maturaprüfung erfolgt zeitlich mit anderen Maturanten, wobei der geleistete Dienst mit Vorteilspunkten von rund einem Viertel der Bestpunktezahl bedacht wird. Analog geht es auf der Hochschule beim Bachelor-Studiums zu.

 

Frauen im Gemeinschaftsdienst

Eine junge Frau ab 18 soll sich nicht nur für Studium, Waffen- oder Zivildienst entscheiden können, sondern auch für die Mutterschaft als Sonderform des Zivildienstes. Modelle sind auszuarbeiten.

 

Das alle verbindende Band

So wie wir Alten den Wehrdienst erlebt haben, kann er kaum ein taugliches Modell für die Zukunft sein, wenn auch nicht alles zu verwerfen ist, was in den 12 „Naja“-Monaten lief. Jenseits der Handhabung von Waffen, dem Erlernen von Taktik und Zähigkeit sind die gesellschaftlichen Nebenwirkungen entscheidend. In einer höchst segmentierten, arbeitsteiligen Gesellschaft fehlt das verbindende Band zwischen den unterschiedlichen Ständen und Begabungen. Ein starkes Band, in dem der Einzelne nicht der Kunde, Klient, Besteller und ‚Likes‘-Spender ist, wie im kommerziellen und sozialen Alltag, sondern der unbedingt Verpflichtete ist. Es ist schon klar, dass viele Leute solche Dinge nicht mehr und noch nicht hören wollen. Deswegen sollte der neue Wehrdienst auch freiwillig sein. Aber es muss ein Weg gefunden werden, um Gemeinschaft zu bilden und nicht nur die technische, auch die moralische Wehrkraft neu aufzubauen. Sonst hat der Westen, haben wir alle miteinander, egal welche Nation oder Landsmannschaft, ausgeschissen (auf gut tirolerisch gesagt).


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Das ist der Sach-Stand in Italien:

Rechtlich Money.it (12.01.23)

Politisch Money.it, (14.01.23)


 

Der Sach-Stand in Südtirol

Politisch: tageszeitung.it (12.01.23)


 

Fußnote

 

Bildungspflicht in Italien (Wikipedia)

„Bis zum Jahr 2000 unterlagen sechs- bis 14-jährige Kinder und Jugendliche einer nur achtjährigen Schulpflicht. Grund- und Mittelschulen bildeten daher die so genannte Pflichtschule (scuola dell’obbligo). Seither gilt eine zwölfjährige Bildungspflicht für Sechs- bis 18-Jährige. Grundsätzlich soll kein Jugendlicher das Bildungssystem verlassen, ohne einen berufsqualifizierenden Abschluss erreicht zu haben. Nach derzeitiger Rechtslage gibt es zehn Pflichtschuljahre, wobei das zehnte Pflichtschuljahr zugunsten einer dualen Berufsausbildung aufgegeben werden kann, sofern die Mittelschule und das erste Berufsfachschuljahr erfolgreich abgeschlossen wurden. Jugendliche werden von der zwölfjährigen Bildungspflicht befreit, wenn sie vor Vollendung des 18. Lebensjahres einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss erreichen.“

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