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DAS NEXT PARKING PRINZIP

Georg Dekas
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24. Oktober 2023

Landtagswahl 2023: Die Würfel sind gefallen und das Machtkartell der Südtiroler Volkspartei auch. Der Wähler hat nach dem Next-Parking-Prinzip gehandelt.

Zum Ausgang der Landtagswahlen in Südtirol am Sonntag 22. Oktober 2023 ist alles Unmittelbare und Kleingedruckte schon gesagt: Die Zahlen, die Statements der Gewählten und Abgewählten, die Selbstbenotung der Listen, die Wertungen der Zeitungen je nach Vorliebe und weltanschaulicher Ausrichtung. Eine kleine Übersicht der Zeitungsmeldungen in «NUiS vom Wahlmontag» und «NUiS vom Wahldienstag».

Hier nur etwas zum Drüberstreuen, eine Meta-Betrachtung sozusagen. Eingetreten ist die vorausgesagte Niederlage der SVP (Südtiroler, nicht Schweizer Volkspartei, die hat gesiegt!). Die Einverleibung des Bruders von Bergsteiger-Idol Reinhold Messner in die „Sammelpartei“ hat sich nicht nur als Glücksgriff, sondern als rettendes Sprungtuch erwiesen. Ohne die 30.000 Vorzugsstimmen des ehrgeizigen Messner-Dokters, aber auch ohne die neue, baumstarke Pamer und den neuen, cleveren Brunner aus Brixen, wäre das Edelweiß regelrecht abgestürzt (auf die 10 von NUiS getippten Sitze).

Dennoch hat Kompatschers SVP schwächer abgeschnitten als Söders CSU im Bruderland Bayern. Die Bozner führen dafür allerhand «Faktoren» ins Feld, aber keine der Erklärungen trifft den Kern. Die richtige «Erklärung» für den Misserfolg der alten Dame SVP haben die Südtiroler Wähler prompt und eindrucksvoll von selbst gegeben: Sie wollen Taten sehen, nicht Worte. Eigenständigkeit, nicht Romduckerei. Volkspolitik, nicht Elite-Ambitionen.

 

Deshalb haben die ach so bodenständigen Wähler im Gebirge ihr Auto nicht mehr bei der unwählbaren SVP geparkt, sondern haben es einfach beim nächst gelegenen, heimelig wirkenden, freien Parkplatz in der Nachbarschaft abgestellt. Das nenne ich  das „Next-Parking-Prinzip“. Oder auch: Wechsle Bäumchen, aber bleibe möglichst nahe am gleichen Ort. Die große Überraschung dieses Wahlgangs ist somit der völlig unproportionierte Erfolg von Sven Knolls Liste «Südtiroler Freiheit». Offensichtlich setzt sich das «Next Parking»-Prinzip beim Volk besser durch als die Ratschläge versierter Beobachter oder der falsche Zauber von Umfragen.

So haben wir jetzt in Bozen ein breites Spektrum an deutschen Parteien, die den ganzen Gesellschaftsbogen abbilden, wobei der Wähler die Bodenständigen belohnt hat – Bürgerliche genauso wie Revoluzzer. Einige Wahlverlierer meinen, die «Schreier» und die Parolen» hätten gesiegt – mit deutlichem Schielen auf den überwältigenden Erfolg von Jürgen Wirth Anderlans neuer Senkrechtstarter-Liste. Aber das ist eine falsche Einschätzung, genauso wie das Gerede vom «Rechtsruck». Der neue SVP-Star Dr. Hubert Messner hat es in Bezug auf die vermeintlichen «Schreier» im Dolomiten-Interview besser getroffen: Er sagt, er wolle sachlich bleiben und sich jeder (abschätzigen) Polemik enthalten. Ach, wären das unglückliche SVP-Gespann Achammer/Kompatscher doch nur früher dieser Einsicht gefolgt und von ihrem hohen Ross herab gestiegen («Parolen überlassen wir den anderen»).

Im Augenblick wird viel über die Regierungsbildung geredet. Die neue Pluralität der 12 im Landtag vertretenen Listen und die gesetzlichen Vorlagen zu nationalem, deutsch/italienischen Proporz und Frauenquote machen diese Aufgabe zwar nicht leicht, aber auch nicht unmöglich. Denn letztlich ist es doch so: Wer die Autokratie liebt, will geschlossene Machtkartelle und möglichst wenig Pluralität im politischen Geschäft; wer die Demokratie liebt, begrüßt die Pluralität, wünscht sich dazu aber auch kollegialen Umgang und realpolitische Kompromisse, die zu Einigkeit in der Sache und zu praktischer Durchsetzung führen. Wenn das nicht gelingt, wird der Wähler irgendwann zur Diktatorenkeule greifen. Das wäre dann erst der «Rechtsruck», und das wäre schade.

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