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WHEN IN MEIDLING…

Georg Dekas
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6. Januar 2024

…dann musst du zu Heidi essen gehen: in der „Wirtschaft am Markt“. Großartig, lustvoll, öster-reich!

Heute erzähle ich vom besten Esserlebnis aus dem vergangenen Jahr 2023. Es war ein Zufallsfund. Bei einem Besuch in Wien im Spätsommer buchen wir ein günstiges Hotel mitten in Meidling, unweit von Schönbrunn. In zwei Schritten ist man an der U-Bahn, daneben der alte Marktplatz. Von außen sieht man nur Döner und Buden. Erst wenn man durch die Reihen der Stände schlendert, offenbart sich hier am Meidlinger Markt ein wahres Klein-Mekka der Feinschmecker. Da gibt es den alteingesessenen türkischen Metzger mit feinsten Teilen von Lamm bis Rind, den arabischen Stand, die Wiesen-/Lederhosen-Einkehr, den Suppen-Vietnamesen, und wieder den türkischen Obst- und Gemüsestand, der keine gesunden Wünsche offen lässt. Und die Krone von all dem ist Heidis Wirtschaft am Markt.

Es ist schon halb drei und in der Wirtschaft sitzen nur noch gemütliche Mittagsnachzügler. Im Vorbeigehen ist mir eine Frittatensuppe ins Auge gestochen. Da wusste ich, das ist es. Es folgte eine Stunde des Schwelgens. Zuerst ein Glas roter Sturm. Es folgt eine Rindssuppe. Mit gebackenem (!) Leberknödel vom Damhirsch. Fantastisch. Originell, typisch Heidi. Ich lerne die Küchenmeisterin kennen, sie kocht ja fast im Angesicht der Gäste. So offen, so unprätentiös, eine wahnsinnig feine Frau. Deshalb lasse ich mir auch das Hauptgericht kommen, obwohl ich schon satt bin. Vom Lesen auf der Speisekarte her etwas Einfaches: Fleischpflanzerl mit Erdäpfelpüree. Aber zwischen Beschreibung und Genuss können Welten liegen.

Bei feinen Restaurants liegt die Beschreibung oft weit über Qualität und Ästhetik der Speise, aber bei Heidis Marktwirtschaft im Herzen von Meidling ist es gerade umgekehrt. Da ist die Beschreibung schon appetitanregend, aber was dann kommt, ist lässt das Wort weit hinter sich. Das weiß auch die Wespe, die durch die offenen Türen und Fenster an diesem milden Spätsommertag zu mir herein schwirrt und sich auf die eingelegten Birnen neben den Fleischkrapflen vom Damhirsch-Fleisch wirft. Das ist Bio.

Der Hauptkellner in Polohemd und mit Holzfäller-Figur bringt mir derweil einen schönen Weißwien aus Aguntum und einen aus Wagram. Ich will Österreich bis in die Tiefe verkosten. Die Marktwirtschaft in Meidling sieht mich wieder. Und ich die Heidi Ratzinger.

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