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WARE ITALIENISCHE KÜCHE

Georg Dekas
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31. Juli 2023

Der italienische Bauernverband «Coldiretti» gibt Gas. Mit der Ware „wahre italienische Küche“ sollen die Ausfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse bis 2030 von 60 auf 100 Milliarden Euro steigen.

Wie das gehen soll? Über das Verbot, typisch italienische Gerichte weltweit mit etwas anderem herzustellen als mit Rohstoffen und Zutaten aus Italien. Die Oberschlaubauern an Po und im Stiefel setzen dabei auf die Unesco. Die «wahre italienische Küche» soll bald in das Verzeichnis der immateriellen Kulturgüter eingetragen werden. Damit können anscheinend bestimmte Zutaten und Herstellungsverfahren zur Vorschrift gemacht werden. Die «Coldiretti» freut sich schon auf die wundersame Geldvermehrung, und Frau Meloni wird in den USA beim Biden-Flirt sicher ein Wörtchen dazu eingeflochten haben. Schließlich hat sie ja ihren Schwager Lollobrigida zum Minister für «agricoltura e Sovranità alimentare» ernannt. Man versteht, dass mit dieser Souveränität nicht die Selbstversorgung Italiens mit Lebensmitteln gemeint ist, sondern das Monopol auf die Zutaten von italienischen Gerichten weltweit.

Ganz in diesem Geist trägt die «Coldiretti» auf ihrer Hauptversammlung im Palazzo Rospigliosi zu Rom italienische Fake-Gerichte aus aller Welt zusammen, um die „Agropiraterie“ gehörig an den Pranger zu stellen. In Singapur haben sie eine Carbonara mit Hühner-Kunstfleisch gefunden, anderswo Spaghetti mit Fleischpflanzerl und vieles mehr.

Fast schon skurril ist die Wortwahl, mit der die ultranationalen Reinheitsfanatiker die kreative Extension der Hartweizennudeln in Grund und Boden verdammen: «L’ultimo sfregio» sei es, eine weitere Schmach, und eine Rechtsaußen-Zeitung sekundiert: «Carbonara, senza vergogna: chi umilia l’Italia con un piatto di pasta». Italien erniedrigen mit einem Teller Pasta? Ja sind die noch bei Trost?

Anstatt sich über die «contraffazione», die Fälschung hehrer italischer Genüsse im Ausland zu ereifern, könnten sich die «Coldiretti» und nationale Journalisten einmal die Fälscher im eigenen Land vorknöpfen: Chianti-Wein, der nie eine Traube gesehen hat, sehr wohl aber ein Labor, Olivenöl, das eigentlich Maschinenöl heißen müsste, industrielle Halbfertigware, die als Großmutters Küche zu horrenden Preisen auf den Tisch kommt, tiefgefrorener Fisch aus dem Pazifik, der als fangfrischer Fisch aus der Bucht im Sonnenuntergang serviert wird – die Liste ist lang.

Lustig wird es mitunter, wenn jedesmal die «Verstümmelung» der «wahren italienischen Küche» aufgezählt wird (Zitat Coldiretti)

«la storpiatura delle ricette italiane diventa un fantasy horror a tavola nel quale tutto pare permesso dalla carbonara con panna o besciamella al tiramisù senza mascarpone, dall’olio di semi per la cotoletta alla milanese alla caprese servita con formaggio industriale al posto della mozzarella di bufala o del fiordilatte fino alla pizza nelle versioni più inimmaginabili e immangiabili, da quella con l’ananas a quella di pollo.»

Und weiter geht das Klagelied: 

«maccheroni con il cheddar, spaghetti con le polpette di carne, rigatoni con pollo e pesto, pasta al pesto proposta con mandorle, noci o pistacchi al posto dei pinoli o spaghetti allo bolognese con ragu e prezzemolo diffusi in tutto il mondo tranne che nella città emiliana.»

Lustig, weil in Italien selbst bis vor einiger Zeit die Carbonara mit Sahne zubereitet werden konnte («La Cucina Italiana»), weil der Pesto von der italienischen Industrie selbst längst nicht mehr mit Pinienkernen gemacht wird, weil die «Cotoletta alla Milanese» nicht mehr ist als ein geschicktes Imitat des berühmten Wiener Schnitzel, und weil absolut nichts dagegen spricht, ein mit Petersilie verfeinertes Ragout an Spaghetti-Nudeln zu essen, egal, was die in Bologna darüber denken.

Was die Chauvi-Puristen der «Coldiretti» hier aufführen, hat längst nichts mehr mit dem Bestreben zu tun, höchste Qualität und Echtheit von zu Recht berühmt gewordenem Essen zu gewährleisten oder zu schützen, sondern greift in die kreative Freiheit des Genusses ein und ist ein plumper Versuch, durch rhetorische Erpressung eine künstliche Marktverengung zu schaffen, idealerweise ein nationales Monopol. Andersrum gesagt: Wenn du alle deine Spezialitäten auf Konserve bringst und sie in alle Welt verkaufst, brauchst du dich nicht beklagen, dass die Welt mit diesen Konserven kocht, wie es ihr gefällt.

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