Carbo guanciale tuorlo pepe (c) dege

NATIONAL CARBONARA DAY

Georg Dekas
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26. April 2023

Carbonara Day am 6. April versäumt! Macht nix, ich koche sie auf meine Weise.

Doppelter Genuss: Gut essen und Pastafetischisten eins auswischen! Auf Klein machen’s die ja nit, etwa hier:

PASTA alla CARBONARA ricetta originale per il Carbonara Day. Pecorino, guanciale, tuorli, pepe e spaghetti sono gli ingredienti necessari, altro è bandito.   (giallozafferano.it)

oder hier:

festeggiamento ufficiale di uno dei piatti più conosciuti, amati e copiati in assoluto, ovvero la carbonara.

(meine Hervorhebung). Noch am bescheidensten:

Il 6 aprile è il Carbonara Day, ovvero il giorno in cui si celebra uno dei piatti più famosi della tradizione culinaria laziale e ... (lacucinaitaliana.it)

 

Nach dem Gebot „alles andere ist verbannt“ („altro è bandito“) habe ich römischen Schafskäse gekauft und einen ‚Guanciale‘ (nicht römisch), Eier, Pfeffer und Spaghetti, wie es Italien will. Das Ergebnis (im Titelbild) ist schön anzuschauen, doch am Gaumen unbefriedigend. Liegt wohl daran, dass der luftgetrocknete Wangenspeck vom Schwein nicht römisch war und auch nicht die Eier, und auch nicht der Koch.

Ich meine, wenn es eine harmlose Steigerung von Rassismus gibt, dann ist es der Kult um die Herkunft und die ursprüngliche „Reinheit“ von Speisen und Gerichten. Italiener sind mit Leidenschaft kulinarische Rassisten.

Dabei kommt einem schon das Lachen, wenn man sich die Masse an Eiern und den schmalzigen Speck in der Carbonara ansieht. Etwas weniger Italienisches im Nudelgewand sieht man selten. Aber NATIONAL CARBONARA DAY! Somit: Das Reinheitsgebot der römischen „Köhlernudeln“ können sich die Pastafetischisten gegenseitig auferlegen, so lange sie wollen. National und palatinal ist die ‚National Carbonara‘ ein Artefakt, geschichtlich ist sie ein Fake.

Das fängt bei den „Spaghetti“ an. Ordentliche Römer kochen die Guanciale-Nudeln mit Maccheroni oder Penne, nicht mit feinen neapolitanischen Spaghetti. Und was die Legende betrifft, die Carbonara sei das alte Leibgericht der Köhler in den Wäldern Latiums gewesen, kann man entgegenhalten, dass Pasta Asciutta bis herauf ins 20. Jahrhundert ein Privileg der Reichen gewesen ist. Warum? Weil kein Armer es sich je leisten konnte, das stärkehaltige, gesalzene Pasta-Wasser wegzuschütten, ganz einfach. Am wenigsten die Köhler. Die sich ja auch nicht die Hennen mit in den Wald genommen haben für die vielen Eier der Carbonara.

Doch kommen wir zum Dunque, zu des Pudels Kern. Eier und Speck. Der Inbegriff des Cowboy-Frühstücks. Nationalspeise aller Junggesellen von Salurn bis zum Nordkap. Englisch Egg and Bacon, deutsch Spiegeleier mit Speck (…hamburger!).

Und so war es auch. Der römische Wirt, bei dem die amerikanischen Soldaten 1944 eingekehrt waren, hatte zum Lunch nur nackte Nudeln und Schafskäse zu bieten (Pasta in Bianco). Ein Stück ranziges Schweinefett von einer verdorrten Wange vielleicht dazu, als Geschmacksgeber für die Illusion von Speck.

Da schickte der Leutnant zwei GI’s im Jeep los, um in der Feldküche Bacon in der Dose und Eipulver zu holen. Und Dosenmilch mit Anteil Cream. Grundbestandteile der US-Truppenverpflegung.

Der Wirt war heilfroh, seine arme Kriegsküche aufgemotzt zu kriegen. Das Eipulver in Massen mit der dickflüssigen Dosenmilch verrührt, zwei Tropfen Olivenöl dazu, um es italienischer schmecken zu lassen, den Bacon gestückelt und herrlich herausgebraten, und um den ausländischen Beigeschmack etwas zu kaschieren, jede Menge Schwarzpfeffer drüber, „Ehi, na pasta brobbrio come dai carbonari“ scherzt der Wirt über den schwarzen Staub und serviert die knallgelbe Pasta seinen Befreiern von der anderen Seite des Atlantiks. Die sind begeistert. Yolk! Cream! Bacon! Nooodles!!!! Spicy! Die Carbonara war geboren. Die Amis haben sie dann gleich mitgenommen, hinüber in die Staaten. Fällt es doch keinem Römer ein, seine Makkaroni in einem fetten Ei-Käse-Gemisch zu ertränken! Cacio e Pepe langt!

Als 1952 in Chicago die Carbonara auf einer Speisekarte auftaucht, die „Soße“ in ihrer klassischen Form mit jede Menge Eiern, krossen Hamburger-Speck-Würfeln, Reibekäse von der Kuh, Sahne und Tonnen von Spaghetti, ist das Ding längst zum Renner geworden. Weil es den Geschmack der Cowboys so gut trifft.

Um den Fortgang der Geschichte abzukürzen: Das ganze nationalchauvinistische Getue um pecorino und guanciale, „altro è bandito“, ist nichts anderes als ein Rückholgefecht der Italiener. Sie wollen der Welt die Carbonara geschenkt haben. Sollen sie ruhig, diese Pastafetischisten (leicht zu verwechseln mit Postfaschisten). Wobei die Carbonara in Wirklichkeit das schöne Kind eines wunderbaren Zusammentreffens ist.

Jedenfalls, die Esser nördlich des Gardasees sind überaus stolz und geschmeichelt, wenn sie ihr transformiertes Spiegelei mit Speck in dem Glauben verzehren, etwas urtypisch Italienisches zu essen. Der Hochstapler zehrt immer von der Gier des Einfältigen. Nur, ändern werden die Einfältigen ihre Gewohnheiten dann doch nicht. Aber bitte mit Sahne.

Mir schmeckt die Carbonara am besten in der alpinen Ausgabe: Nudeln egal welche, leicht geräucherter und rosa gepökelter Bauchspeck (‚Hamburger‘ eben), kross geröstet, ein Eidotter pro Person, gerne auch gekocht, Sahne unbedingt, und am günstigsten Grana-Hartkäse vom Nonsberg, um die Creme zu erzielen. (Mehr zu Grana und Italien hier).

 

Bis zum nächsten Carbonara Day!

 

 

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