„Busse sind eine Zumutung. Ein Stadtbus ist einfach kein Gefährt für Senioren!“ O-Ton einer alten Dame*.
„Ich bin mein ganzes Leben lang Auto gefahren, seit ich 19 Jahre alt bin“, beginnt die alte Dame ihre Geschichte. Ihre 84 Lebensjahre stehen ihr gut an. Trotz der Gebrechen, die sie dem Alter zuschreibt, bemerkt man den wachen und energischen Geist dieser Frau. „Ich gehöre jetzt zu den ‚Gruftis‘, das ist klar. Aber erst die letzten zwei Jahre, seit ich im Zentrum der Kurstadt Meran wohne, habe ich erfahren, was es heißt, als Senior auf die Busse dieser Stadt angewiesen zu sein.“
Und dann bricht es aus ihr heraus: „Die Busse sind eine Zumutung. Ein Stadtbus ist einfach kein Gefährt für Senioren!“ Der Einstieg sei gut, man könne fast zu ebener Erde einsteigen. „Aber dann geht’s los. Meistens ruckartig. Es rüttelt und schüttelt und tuat“, meint die Dame. Ich mache jedem Chauffeur Komplimente und bedanke mich, wenn er sanft fährt. Neulich bin ich beim Losfahren an der Haltestelle Theaterplatz umgefallen wie ein Zinnsoldat, weil ich im falschen Augenblick die Haltestange losgelassen habe, um die Fahrkarte zu lösen. Einen Monat lang habe ich an der Prellung zu leiden gehabt.“
Was die alte Frau, die betont, nicht allein für sich selbst, sondern für alle Senioren zu sprechen, auch noch stört, sind die unregelmässigen Verkehrszeiten der einzelnen Linien gerade an Sams- und Sonntagen. „Für uns Ältere sind gerade die kurzen Verbindungen so wichtig. Für mich z.B. geht es darum, mit dem Bus vom Theaterplatz bis zum Hotel Palace zu kommen, weil ich von dort aus den Spazierweg über die Gilf und wieder heraus über die Winterpromenade überhaupt erst schaffe. Müsste ich das Stück zu Fuss gehen, wäre mein Gang wegen meiner Gelenke schon an der Postbrücke zu Ende.
Jetzt kann ich mir gerade regelmässigen Abfahrtszeiten an Werktagen merken, aber nicht mehr die abweichenden und sporadischen vom Wochenende. Dann musst du wieder eine Stunde warten…“. Geradezu klassisch ist ihre Erfahrung, wenn sie das Pech hat, in überfüllte Busse mit Schülern zu geraten. „Einmal bin ich nach Lana zu einer Beerdigung gefahren. Im Bus sind ein Haufen junger Leute gewesen. Ich habe, zusammen mit einem etwa gleich alten Bekannten, ganz vorne gestanden. Wir beide haben uns an den Stangen festgeklammert, so gut es ging. Ja ja, habe ich extra laut zu ihm gesagt, wir Alten müssen halt immer noch unsere Standfestigkeit beweisen!“ Die Adresse war natürlich an die Jüngeren gerichtet, von denen kein einziger Anstalten machte, seinen Sitzplatz anzubieten. Sie verstehe nicht, warum man für die äußerst vorhersehbaren Fahrzeiten von Schülern nicht extra Schulbusse einrichten könne.
„Überhaupt“, so bleibt unsere ehemalige Autofahrerin in Fahrt, „möchte ich sagen, dass Meran doch eine Kurstadt sein will. Ich verstehe nicht, wie man es den Kurgästen zumuten soll, in Bussen zu fahren, wo die Passagiere oft das Gefühl haben, in einem Viehwaggon zu sein. Wer bitte von den Gästen soll mit diesem System sein eigenes Auto stehen lassen und von Schenna oder Tirol aus mit den städtischen Linienbussen herumfahren?“
Die alte Dame ist nun ein wenig erleichtert, ihren Ärger los geworden zu sein. So wie ihr geht es vielen, die sich nicht zu Wort melden. Wenn Busse den Individualverkehr wirklich ablösen wollen, haben die Verantwortlichen für dieses öffentliche Nahverkehrssystem noch viel zu tun – angefangen beim einzelnen Chauffeur, dem die alte Dame jetzt schon für sanfte Gas- und Bremsmanöver dankt.
*Das Gespräch wurde 2016 aufgezeichnet.