STRUKTUR

Georg Dekas
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30. August 2023

Im Südtiroler Deutsch setzt sich ein neues Wort durch: „Struktur“ im Sinne von Einrichtung, Anstalt, Stätte. Direkt aus dem Italienischen.

Die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ ist nicht ein beliebiges regionales deutschsprachiges Tagblatt – sie ist seit der Faschistenzeit das Rückgrat der Selbstbehauptung der deutschen und ladinischen Sprachminderheit in der Republik Italien. Und sollte somit Wächterin der deutschen Sprache sein: natürlich soweit es geht in ihrer heimischen österreichisch-bairischen Ausprägung.

Nun gut, diese Einführung ist ziemlich bombastisch für das, um was es geht, aber schließlich besteht auch der Weg zur Hölle aus kleinsten Kieselsteinen.

Und heute ist es geschehen: Die „Struktur“ hat es bis zum Aufmacher auf die Titelseite der „Dolomiten“ geschafft. Na und? Hat nicht auch der Stein im Titelbild hier eine schöne Struktur? Doch, eine wunderschöne sogar. In der Zeitung wird das Wort Struktur aber ganz anders gebraucht und verstanden, nämlich so, wie es die Italiener tun.

„Una struttura“ ist in der italienischen Umgangssprache eine Einrichtung, eine Anstalt, eine Stätte, oder einfach „Haus“ im übertragenen Sinn. Zusätzlich zur klassischen Bedeutung von Bauart, Beschaffenheit, Gliederung, Gefüge, wie es die alleinige Bedeutung im Deutschen ist.

Wie es scheint, hat die deutsche Redaktion der „Dolomiten“ in Bozen 1:1 den Titel des italienischen Schwesterblattes „L’Adige“ in Trient übernommen, wie untenstehendes Bild nahelegt.

Aufmacher in L’Adige und Dolomiten 30.08.2023 – Ausschnitt


 

Ist schon die Übernahme von „centro“ als „Zentrum“ eine unschöne Sache, so ist die Einführung der „Struktur“ mit italienischer Bedeutung ein weiterer Schritt hin zur zweitrangigen, ja subalternen Rolle des Deutschen in Südtirol.

Aber wie sagen doch die Sprach-Neureichen? Hauptsache, wir verstehen uns. Gell.

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