Es ist schon das Wort «Sprache» kein schönes, aber noch hässlicher und gespreizter ist das Eigenschaftswort «deutschsprachig». Besonders, seit es politisch korrekt geworden ist.
Kommt zu «deutschsprachig» dann noch das Gendern, wirkt die deutsche Sprache endgültig überfordert. Exemplarisch zeigt das die abgebildete Kleinanzeige, mit der Südtiroler Netzmagazin «salto.bz» auf dem eigenen Portal nach schreibfähigem Nachwuchs sucht. Zeit für etwas politische Linguistik.
Beiwegs (by the way)
Weil das Wort «Sprache» so ungut an «Rachen» erinnert, beneide ich die romanischen Kultursprachen um ihre «lingua» und «langue» – als «language» prompt von den Briten übernommen. Die Bemühung, das mit «deutscher Zunge» zu übersetzen, ist nicht sonderlich gelungen. Aber gut, leben muss man mit jedem Erbe.
Kleiner Ausflug ins Gestern
In Tirol, das seit altersher ein Land dreier «Zungen» und vieler Mundarten ist, entbrannte nach Napoleon ein erbitterter Streit um die ‚richtige‘ Nationalität der Sprachigen. Deutsch stand für Kaiser und Österreich, Italienisch für das unitarische Italien. Rätoromanisch (ladinisch) wurde diesen beiden großen Streitparteien jeweils für die eigene Sache ‚eingesackt‘.
Am Siedepunkt des Nationalitätenstreits in Tirol taucht in den Zeitungen auch das Wort «deutschsprachig» auf. Es wird aber nur als Eigenschaftswort gebraucht, während das Wort «deutsch» das höher gestellte Prädikat ist. Hier ein Beispiel.
«Das deutsche Volksthum und die deutsche Schule in Süd-Tirol» lautet ein bombastischer Titel in der Meraner Zeitung (10.04.1898). In der Abhandlung steht dann der Satz: «So ward denn ganz Rhätien deutsches Land. Was nun Alemannen, Gothen und Bajuwaren in Besitz genommen hatten, ist auch deutschsprachig geworden»
Eine Kennzeichnung wie «deutsches Volkstum» ist nach 1945 sicher nicht mehr angesagt. Doch hat sich die Bezeichnung «deutsche Schule» ohne weitere politische Hintergedanken halten können.
Deutsch zu «nazi»?
Den moralistischen Eiferern auf der linken Überholspur ist auch das noch zu «nazi», und so sprechen sie in Südtirol sogar von der «deutschsprachigen Schule» (als ob eine deutsche Schule je etwas anderes sein sollte als eben deutsch). Dabei sagen die Eiferer im selben Atemzug und mit größtem Gleichmut «italienische Schule», und merken als Egalitaristen, die sie sein möchten, nicht, welchen Bock sie da schießen.
Wer nun einen «deutschsprachigen Redakteur» gleich welchen Geschlechts sucht, der sucht eigentlich Menschen jedweder Nationalität, die halt Deutsch können sollten. Das ist die ‚United Colours of Benetton’-Lesart.
Schweizer Identität mit Extensions
Das Beispiel Schweiz zeigt die politische Lesart. In der Schweiz ist man als Bürger oder Kanton deutschsprachig, französischsprachig, italienischsprachig oder romantsch, weil der Wesenskern (das Prädikat) «Schweizer» ist. Man ist ganz zuvörderst Schweizer und hat danach, so wie die einen blond und die anderen dunkelhaarig sein mögen, halt einfach diese sprachlichen Extensions an sich.
Südtirol hat ungleiche Sprachige
Das ‚Moudl‘ auf Südtirol angewandt, würde bedeuten, dass das Prädikat «Südtiroler» die von allen akzeptierte oder allgemein verinnerlichte Identität ist. Das ist leider nicht der Fall. Nur wenn das der Fall wäre, gäbe es zu dieser übergeordneten und gemeinsamen Identität eben die Extensions «deutschsprachige», «ladinischsprachige», «italienischsprachige» Südtiroler. Ausserdem, sogar wenn die Schweizer Butterform passen würde, wäre konsequent von «deutschsprachig», «ladinischsprachig» und «italienischsprachig» zu reden. Das tut niemand. Da heißt es einseitig «deutschsprachig», dann aber, eleganter und netter, nur mehr «ladinisch», und «italienisch». Wie haben sich die deutschen Südtiroler eine solche Strafe, anzi, (Sp)-Rache, verdient?
Der eine Chauvi-Kamm
Das Schweizer Modell kennt auch eine ungemütliche Steigerungsform. Alle Südtiroler sind «Italiener», davon einige halt noch «deutschsprachig» oder «ladinischsprachig». Das ist eine verbreitete Auffassung, in Italien unten sowieso. Wobei sinnigerweise nur vom deutschen Nationalismus Anno 1898 auf den italienischen Nationalismus Anno 2023 umgeschaltet wird.
Einfach deutsch reden
Es mag paradox erscheinen. Gerade um nicht wieder in den Topf des Nationalitäten-Gifts zu fallen, ist es angeraten, das simple, kennzeichnende Wörtchen «deutsch» vermehrt zu verwenden. Um es national zu entgiften, genügt der Kontext.
Dass «deutsch» mittlerweile als exklusives Attribut alles Bundesdeutschen verstanden wird, ist zwar zutreffend, darf aber nicht als Einwand und Hinderungsgrund gelten. «Deutsch» ist ein universelles Prädikat und kein staatspolitisches. So sollte es wenigstens sein, auch der Flüssigkeit und Gleichstellung mit anderen Sprachen wegen.
Mit Kant möchte ich sagen: Sapere Aude! Habt den Mut, Euch der eigenen Sprache zu bedienen.
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Nächster Artikel: Die Stürmer-Nazi-Sprache der BILD Zeitung im Mai 2023. Warum ich mich als deutscher Südtiroler (deutsch universell und humanistisch verstanden) von der neuen, alten deutsche Hetzsprache (deutsch staatspolitisch verstanden) klar distanziere.