Really frisches Sushi

Georg Dekas
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7. Dezember 2022

Wenn du jemanden interviewst, kriegst du nur, was der will, dass in der Zeitung steht. Ein Sushi-View.

Kennst du den Sushi-Stand mit den köstlich bunten Happen?

Meinst du den im Supermarkt?

Ja, genau den.

Weißt du, ich reiss’ mich nicht um Sushi.

Offensichtlich bist du nicht allein.

Wie willst du das wissen?

Naja, früher war der Stand ganz hinten beim Fleisch. Jetzt ist er ganz vorne bei den Kassen.

Naa, die arbeiten gut und wollen den Kunden nur die Rennerei ersparen.

Ich denk, die haben zu wenig Kunden. Die haben sich wie die Süßigkeiten nach vorne an die Kasse gestellt. Schauen und kaufen.

Mah, ich weiß nicht. Vielleicht ist kalter Reis und roher Fisch einfach nicht der Renner im Land der Knödel und Spaghetti.

Frag doch mal nach!

Wen? Die hinterm Tresen?

Ja, die oder die Geschäftsleitung vom Markt. Mach ein Interview! Sogar eine Reportage könnte das werden.

Geh, was meinst denn du, was die mir sagen? Dass ihre Umsätze so klein sind wie Sushi-Bällchen? Das sagen sie sicher nicht.

Jaja, aber du könntest dort warten und Verkäufe zählen, und das mit ihren Aussagen abgleichen. 

Haha. Und wer zahlt mir die Zeit und den Aufwand? Weisst du, wie wurscht es den Leuten ist, was der Sushi-Stand für Umsätze macht?

Wäre doch interessant, zu erfahren, wie sich die Essgewohnheiten ändern, meinst du nicht?

Interessant ist vieles, aber nicht alles ist vermarktbar. 

Willst du mir sagen, in den Medien steht nur, was Kohle bringt?

Ja, oder was schon bezahlt ist. Schau, die «Zeitungen» – und damit meine ich alles, was schreibt, redet, funkt und ploppt – sind ein Mischgeschäft aus Wahrheit und Werbung. Am Ende muss jedes Blatt und jede News-Marke von den Lesern geglaubt und gekauft werden. 

Aber der große öffentlich-rechtliche Rundfunk, der ist doch frei von diesem Druck?

Ja, aber den kauft sich die Politik in großem Stil. Die Empfänger haben gar keine Wahl. Sie müssen die Rundfunkgebühr blechen, ob sie wollen oder nicht. 

Dann könnten doch die etwas über frisches Sushi im Supermarkt machen?

Das ist nicht ausgeschlossen. Alle Medien sind sehr geschickt in redaktioneller Reklame, bewusst oder unbewusst.

Wie kommst du denn darauf?

Weil das der leichteste Weg ist und sie jeden Tag füllen müssen. Weil du in einem Eil-Interview ohne Gegenrecherche nur das erfährst, was dein Gegenüber möchte, dass du erfährst. Und es wird keine Gegenrecherche geben, weil Zuwarten, Suchen, Zählen und Kreuzverhören unglaublich teuer und aufwändig ist.

Aber die Öffis könnten sich das doch leisten?

Was meinst du, warum ich nie mehr ZDF, ORF, RAI und Co schaue? Die hängen am Tropf. Angefangen beim Ukraine-Aufmacher bis zum allerfrischesten Sushi.

Wo bleibt dann die Wahrheit?

Dort, wo sie unkaputtbar ist. Im Korridorfunk, Radio Scarpa oder Eriwan, bei den störrischen, neuen Galileos im Internet. Ist das Sushi really frisch? Glaub nicht alles. Schau selbst! Geh hin! Oder iss was anderes.

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