Wache Ziegen (c) dege

Was ist guter Journalismus?

Georg Dekas
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13. November 2022

Mah, sagen wir so: Es gibt mehr gute Journalisten als guten Journalismus. Im Ernst, diese Frage geht nicht so leicht zu beantworten, am leichtesten als Eigenreklame. Aber ein paar Anmerkungen ist sie schon wert.

Die Uni Innsbruck hat jüngst eine kleine Rederunde gehabt zur Frage, was guter Journalismus ist. Die TT berichtet. Es war eine Runde von Alten, der Jüngste 57, der Älteste an die 80, die Damen: sehr gesetzt. Vom ORF über die APA bis zum Veranstalter, der Leopold-Franzens, waren alles Institutionen vertreten, die vom Staat zehren. Mit einer wichtigen Ausnahme, der TT, der Tiroler Tageszeitung. Und was sagte der ergraute Journalist aus der Moser Holding? Er beklagte, dass die Regierung zu wenig Geld spendiere, so sei Qualitätsjournalismus schwer machbar. Wobei er blöderweise auch noch recht hat. Nämlich, dass freier Journalismus so schwer wie nie geworden ist, seit die Werbemillionen zu den amerikanischen Internet-Riesen abwandern, und sich alle Medien unter das Dach des Staates wünschen.

Aber: Es ist die Freiheit und die Auslese, die Qualität bringt. Wenn sich das Spielfeld verengt und die Wiese zu Beton wird, dann ist Qualität oft nur mehr Make-up. Wir wissen ja hinlänglich, dass mit dem Prädikat  Qualitätsjournalismus vor allem jene Medien sich belobigen, die es ohne öffentliche Hilfen, Zuschüsse oder gesetzliche Finanzierungen wie die GIS gar nicht geben würde. Muss man jetzt aber zum Schluss kommen, dass nur mehr der Staat Garant für „guten Journalismus“ sein kann? Dass Redakteure nur dann glaubhaft sind, wenn sie einen sicheren und gut bezahlten Posten haben, für den sie …niemanden? …und wenn ja, wen bittesehr, Dankeschön sagen müssen?

Ein Fall aus Südtirol. Zwei Frauen werden auf einer Almwanderung von Wölfen umzingelt und vom Rettungsheli ausgeflogen. So steht es als große Schlagzeile auf der Titelseite der ‚Dolomiten‘. Im Innenteil preist Chefredakteur Toni Ebner derweil den unbestechlichen Qualitätsjournalismus seines Verlagshauses, das ordentlich vom Staat alimentiert wird. Wenige Stunden später kommt die TT mit folgender Meldung hinter der Bezahlschranke: „Wolfsbegegnung in Südtirol war Falschmeldung: Das ist wirklich passiert“. Und die ideologischen Widersacher der Dolomiten spotten über die Journalisten-Kollegin: „Lisa Ehrenstrasser muss zumindest den Pulitzer-Preis dafür bekommen.“ (salto.bz) Abgesehen von der Blamage, die eigentlich nur durch überzogenes Eigenmarketing entsteht, muss man sich jetzt andersrum fragen: Was bitte hat denn ein Journalist außer Erzähler noch alles zu sein? Privatdetektiv, Ermittler, Forscher, Staatsanwalt? Ist da die Erwartungshaltung nicht viel zu hoch – und das Eigenlob im Spott umso besser versteckt?

Da haben die Damen bei der Rederunde an der Uni IBK schon besser den Nagelkopf getroffen. Die große Tretmine für guten Journalismus sind nämlich nicht so sehr Sensation heischende Meldungen vom Typ ‚Mann beißt Hund’ oder die zwei Frauen, die Angst vor Wölfen haben, welche Gämsen gewesen sein könnten. Die große Tretmine ist, dass Journalisten aktive Player und Promoter der Politik, der Ideologien und der Staatsräson (Covid) geworden sind, ohne sich entsprechend auszuweisen.

Einem Priester verargt man nicht, wenn er die Sünde anprangert, einem Werber nicht, wenn sein Ding das größte ist und einem Politiker hält man nicht vor, dass er sich einmal verschätzt hat, wenn er sich sonst halbwegs bemüht.

Journalisten, die vorgeben zu berichten, aber ständig empört sind, Ereignisse schrecklich finden, sich zum Influencer machen, zur Schaupuppe, zum Sprachrohr von Regierungen, Nationen, Konzernen und Lobbys, Journalisten, die treuherzig und überzeugt politische Glaubensbekenntnisse nachbeten, diese Journalisten (mittlerweile zum großen Kader geworden), die tun dem guten Journalismus gar nicht gut – und das hat auch mit der Ankunft der Frauen zu tun, die deutlich mehr Selbstdarstellung und aufgeregtes Gefühl in den Beruf einbringen. Sechzig Sekunden ZDF genügen, um das zu illustrieren und zu bestätigen. Was nicht heißt, dass alle Journalisten über einen Kamm zu scheren sind. In Innsbruck sagt eine weise Frau Krone-Schmalz (ARD) folgerichtig: „Journalismus soll Politik erklären und nicht Politik machen.“ (Zitiert nach TT). Und sich des Moralisierens in Berichten enthalten, lege ich dazu. Dafür sind Kommentare da. 

Was mich zum Wegscheider von Servus TV bringt. Das Format ist klar, da weiß jeder, woran er ist. Trotzdem ist der Wegscheider kein besserwisserischer Schulmeister und kein verkappter Seelenverkäufer. Und sein Sender, der Servus TV, pflegt einen wohltuend ausgewogenen, nüchternen, aber prinzipienfesten Journalismus. Beste Qualität mit Null Staatsknete. Gut, man muss einräumen, der Schöpfer und Halter des Senders war ein Gigant, der nicht beliebig geklont werden kann.

Noch eine Anmerkung zum Qualitätsjournalismus: Schon zu meinen Zeiten als privater Medienmacher – und erst recht heute in der noch freien Welt des Internet – waren und sind es die kleinen, armen, aber wendigen Medien, die für den Talente-Nachwuchs sorgen und auf diese Weise den Qualitätsjournalismus füttern. Viele der heute wohlbestallten Qualitätsjournalisten haben abenteuerlich in kleinen Häusern (‚Testate‘, sagen die Italiener) angefangen und sich dort die Hörner abstoßen dürfen, und sind dann später als leidliche Könner mit fliegenden Segeln in den sicheren Hafen der Öffentlichen übergewechselt.

Diese Tatsache sollte ein Wink sein, es mit den großen Staatskarossen und mit den Millionenzuschüssen aus Steuerzahlers Kasse nicht gar zu übertreiben.

Um es wieder andersrum zu sagen: Eine ordentliche Schlankheitskur bei den Öffentlich-Rechtlichen würde den freien Medien und den klassischen Zeitungen viel Sauerstoff zuführen und das Geschäft (ob Papier, Funk, digital) wieder leichter machen.

Zum Schluss: Gerne würde ich im Bericht von einem Medientag der Uni Innsbruck, wo guter Journalismus im Mittelpunkt steht, mehr junge Leute im Bild sehen.

P.S. 

Ein Paradox: Kaiser Leopold gründete und bezahlte die Universität aus der Staatsschatulle, und sie wurde ein Hort der freien Lehre. Dietrich Mateschitz gründete und bezahlte den Sender Servus TV aus seiner Schatulle, und er wurde zum Hort der freien Meinung.

Zwei absolute Herrscher bringen Freiheit zum Blühen. Kann man das von den Zeitungen, Sendern und Hochschulen der demokratischen Parteien und ihrer Geistes-Kader auch sagen? Wo zum Teufel liegt das Geheimnis?

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