Wer zu Gaza schweigt, soll über Auschwitz nicht reden.
Auschwitz und Holocaust – 27. Jänner, Tag der Erinnerung. Am 27. Jänner 1945 stoßen die siegreichen Russen auf ein großes Industriegelände und Strafgefangenenlager der Deutschen in der Nähe von Krakau. Es ist der Beginn der Aufdeckung von Massenmorden an Zivilisten und Kriegsgefangenen, die unter dem Begriff ‚Holocaust‘ in die Geschichte eingegangen sind. In den Jahrzehnten nach dem Krieg haben sich die Ermittlungen zu und die Erzählungen von den Massenmorden exklusiv auf das grausame Schicksal der Juden zugespitzt und haben mit der Zeit eine nahezu religiöse Inbrunst und Sprache angenommen. Aus dem Holocaust ist ein Totem der Moderne geworden, besonders in Europa sakral gefeiert von Regierungen, Verbänden, Medien.
Gaza und Auschwitz
Die unendliche Traurigkeit, die einen befällt, wenn man an die Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges zurückdenkt, verträgt sich schlecht mit dem Tamtam der Gedächtnisrituale. Denen man umso weniger trauen mag, je mehr die vorgetragenen Mienen und Worte längst vergangene Zeiten und Bösewichte beschwören und die Verbrechen der Gegenwart nicht anerkennen wollen. Das Auschwitz-Gedenken kehrt eine bestimmte Gruppe von Opfern und Henkern heraus und lässt andere vergessen. „Nie Vergessen“ darf nicht einseitig, nicht selektiv sein. Wer nicht sehen will, was in Gaza geschieht, der muss zu Auschwitz schweigen. Die Massenmorde an Kindern und Frauen in Gaza werden in Echtzeit und weltweit übertragen. Aber das Auschwitz-Gewissen schweigt oder entschuldigt einen schmutzigen Krieg aus Rache und Vergeltung mit dem Vorwand, dass sich die Nachkommen der Opfer des Holocaust lediglich selbst verteidigen und zudem das heilige Recht haben, ihre Scharfschützen auf schwangere Frauen anzusetzen (‚ein Schuß, zwei Treffer‘). Zu lange schon läuft die Gedenk-Prozession am 27. Jänner, als dass hinter der aufrichtigen Teilnahme nicht etliche Nutzüberlegungen und ein zur Schau gestellter Moralismus sichtbar würden.
Die totale Organisation
Der Tag der Erinnerung und das Symbol Auschwitz sollten den Kern der Sache offenlegen, nicht die Äußerlichkeiten. Der Kern ist, dass ein hochgradig organisiertes, modernes Staatssystem imstande ist, über Nacht ein Regime einzurichten, das Menschen, Völker und Freiheiten niederwalzt. Täter hervorbringt, die als funktional Ausführende kein Schuldbewusstsein haben (‚Gesetz ist Gesetz‘; ‚Habe nur meine Pflicht getan‘). Es ist das gewaltige Zusammenspiel von Politik und Bürokratie, von technologisierter Wissenschaft, Industrie, Massenmedien und Verkehrsmitteln, das sich Millionen Menschen untertan macht, sie zu bewusstseinsmanipulierten Followern macht, und andere Menschen mit Auffälligkeiten oder abweichenden Intelligenz- und Freiheitsgraden gnadenlos durch den Fleischwolf treibt. Recht und individueller Schuldnachweis werden ausgesetzt, das Unrecht wird zu Management. Es ist die Stunde der Geheimpolizei, der Ministerialbürokratie und der Generäle, die Stunde der gleichgeschalteten Richter in der Justiz und der Propagandisten in den Medien, die Stunde der ‚Giftmischer‘ in Chemie, Gentechnik und KI. Den wirtschaftlich abhängigen Bürgern bleibt die Stechuhr, der unbedingte Gehorsam und die Angst vor Allem. Wer aus der Reihe tanzt, erleidet den physischen oder den sozialen Tod.
Weniger Fetisch, mehr Warnung
Jüngster Fall einer Systemkatastrophe war die Covid-„Pandemie“ von 2020 bis 2023. Sie hat weitgehend die selben Systemmerkmale gehabt, welche die vielen Nazi-Staaten im Europa der 1930er und 1940er Jahre kennzeichneten. Das Covid-Regime war nur in Graden, nicht aber substantiell entfernt von Gestapo, Propaganda und Konzentrationslagern. Erst wenn diese Mechanismen begriffen werden, bekommt der Tag der Erinnerung seine universale und zeitlose Bedeutung. Bei tiefstem Mitgefühl für alle Opfer von vergangenen Gewaltverbrechen: Zum Erinnerungstag wünsche ich mir weniger Nazi- und Juden-Fetisch, dafür die eindringliche Warnung vor dem Raubtier Mensch, das mit der totalen, weltweiten Organisation eine Potenz des Bösen erreicht hat, die überall und jederzeit zuschlagen kann.