simpaticissimo et abilissimo (c) dege

OHNE SYMPATHIE GEHT NIX

Georg Dekas
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2. September 2023

Sympathie ist ein tiefes, natürliches, unmittelbares Gefühl, mehr noch, ein Instinkt, ein nahezu untrüglicher Wegweiser.

Meint einer, man solle sich bei den Landtagswahlen in Südtirol am 22. Oktober nicht von der Sympathie für bestimmte Kandidaten leiten lassen, sondern von ihrer „Kompetenz“. Klingt irgendwie einleuchtend. Aber die Entgegensetzung Sympathie-Kompetenz gibt es nicht. Und am Ende siegt immer die Sympathie.

Das hässliche Wort „Kompetenz“ ist Südtiroler Bürokraten-Sprech und bedeutet in klarem Deutsch „Tüchtigkeit“. Tüchtigkeit schließt Fähigkeit und Fachwissen, Eignung und Können mit ein. So entkleidet, sieht man sofort, dass „Sympathie“ und „Kompetenz“ keine notwendigen Gegensätze sind. Keineswegs ist es so, dass man sich entweder für das eine oder das andere entscheiden muss. Ein Kandidat kann sympathisch und tüchtig sein: oder sympathisch und untüchtig, oder unsympathisch und tüchtig, oder unsympathisch und untüchtig.

Also ich wähle gerne unter den sympathischen und tüchtigen Kandidaten aus. Keinesfalls bekommen unsympathische und dazu noch „kompetente“ Versager meine Stimme. Und wenn beides auf des Messers Schneide steht, gibt die Sympathie den Ausschlag. Früher musste ich immer mitleidig lächeln, als Gattin sagte, die wähl ich nicht, die mag ich nicht, die ist mir nicht sympathisch. Mit zunehmendem Lebensalter, also Erfahrung, muss ich mitleidig über meine eigene Anmaßung lächeln. Natürlich hat sie recht, die Gattin (fast immer).

Sympathie ist ein tiefes, natürliches, unmittelbares Gefühl, mehr noch, ein Instinkt, ein nahezu untrüglicher Wegweiser. Tief in unserem Inneren sind das Gestalt-Sehen und die Körpersprache verankert, der Spür- und Geruchssinn als unmittelbare Antennen, die Intuition oder Erleuchtung, das Gespür, die Ahnung, das Mitschwingen und das Gegenschwingen, Einklang und Missklang, Anziehen und Abstoßen, Annähern und Ausweichen, einfach alles, was uns der Milllionen Jahre alte Erfahrungsschatz unserer Gattung gratis und franko zur Verfügung stellt. Mit Blitz-Zustellung. Lange bevor unsere eigene und beschränkte kognitive Wahrnehmung tscheckt, was los ist. Alles, was unser Großhirn zusätzlich noch tun kann und tun muss, das ist, die mögliche Täuschung und Schauspielerei im Auftreten des Gegenübers aufdecken und ausschließen. Und das tut es, wirkungsvoll und unermüdlich, denn das ist eben das Hauptgeschäft des täglichen Tratsches (über andere).

Umgekehrt ist „Kompetenz“ nicht nur eine fade, sondern eine geradezu trügerische Sache – gerade in der Politik, und das heißt in der Führung von Menschen. Baue kurz ein Steinzeit-Bild: Der Anführer einer Jägerrotte steht vor der Entscheidung, die nächste Höhe zu erklimmen oder ins Tal abzusteigen, um das Mammut einzukreisen. Er schaut kurz in die Runde, Blicke und Handbewegungen genügen, die Männer sind sich einig, es geht los. Ein anderer Anführer möchte ja keinen Fehler machen, also führt er seine Schar zurück ins Dorf, um das Gutachten des Ältestenrates einzuholen. 100% Kompetenz für 100% kein Mammut heute. Welche Jägerschar und welches Dorf, glaubt ihr, haben auf Dauer überlebt?

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