Ostergrab St. Peter Lana (c) dege 2016

O WIE OSTERN UND ORPHEUS

Georg Dekas
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1. April 2024

Bei Orpheús wie bei Christus berührt ihre Güte und Liebe, das bittere Schicksal des unabwendbaren Todes und das Wunder der Auferstehung.

Ostern ist Wiederkehr (des grünen Lebens) ist Auferstehung, Licht, Blüte, frischer Wind. Das alles in eine angemessene Bildsprache zu bringen, ist ein geistiges Urbedürfnis wie der Ahhh-Ruf beim Wohlgefühl, das Blüten und knospendes Grün erzeugen. Rein kulturhistorisch gehört die Erzählung vom auferstandenen Menschen Christus der Geisteswelt des Hellenismus an, der Spätphase des griechischen Denkens. Aber schon die frühhellenische Kultur hatte ihren „Jesus“ – das war der mythische Rockstar Orφeús, dessen „Gitarre“ schon achthundert Jahre vor Christus die Steine zum Rollen brachte. Mit seiner Macht über Liebe und Triebe stieg der berühmte Sänger in das Reich der Toten hinab, erlöste seine verstorbene liebste Frau Eurydike und stieg zusammen mit ihr hinauf, zurück ins Leben. Nur ein Orφeús konnte Gott Pluto umstimmen zu einem noch nie da gewesenen, umgekehrten Schritt vom Tod zum Leben. Aber der Gott stellte dem Mega-Star eine Bedingung. Orφeús durfte sich bei der Auferstehung nicht nach Eurydike umschauen. Doch er tat es. Orφeús hatte ihre Schritte nicht mehr gehört und es überkamen ihn Zweifel, ob der Gott sein Wort gehalten hatte. Also wollte er nachsehen, ob sie noch da war und drehte sich um. An Gott zweifeln ist nicht erlaubt. Eurydike musste zurück in den Hades auf ewig.

In der Kulturgeschichte ist die Berühmtheit des Orφeús zweifach gefeiert worden: In der heidnischen Zeit als Rockstar der Musik, Kult-Guru, Abenteurer, Seher und Medizinmann, in der christlichen Ära als Jesus der Heiden. Seine „Marke“ war von Beginn an die Eigenschaft, dass er alle Herzen erweichen konnte, selbst die Tiere liefen dem Orφeús alle zahm zu (das Christentum schuf dafür die Gestalt des Heiligen Franziskus). Bei Orφeús wie bei Christus berührt ihre Güte und Liebe, das bittere Schicksal des unabwendbaren Todes und das Wunder der Auferstehung. Bei Orφeús noch ein Versuch, bei Christus Gewissheit. Die Nachfahren des Orφeús hatten gelernt, nicht an Gott zu zweifeln – außer der ungläubige Thomas, der aber von den hellenistischen Evangelisten nur zum (Lehr-)Zweck als solcher angeführt wird. Seit Christus ist also das Osterfest das rundum erneuerte Mysterium vom Sieg des Lebens und der Liebe ­ ­ – nicht nur über den Tod. Auch Sinnbild des ultimativen Sieges über den Allzeit-Hochmut der Mächtigen und Medien, die glauben, einfache, gute Leute nach Lust beschimpfen, kreuzigen und verräumen zu können. Wie kleingeistig nehmen sich da heimische Oster-Kommentatoren aus, die entweder das hochehrwürdige O-Mysterium ins Lächerliche und Banale ziehen oder die Auferstehungsgläubigen „auf der richtigen Seite“ sehen (ausführliche Zitate unten). Auf der richtigen Seite der Geschichte, wie bei Covid, Klima-Wende, Ukraine und gegen Rechts? O nein, Ostern steht weit darüber.

Arnold Tribus im Leitartikel seiner TZ vom 30.03.2024, (verkürzt):

„Ostern feiert die Überwindung des Todes durch das Leben. [… ] Wahrlich, ein harter Brocken für uns einfache Gemüter [… ] Aber gerade deshalb heißen die Fans der Kirche ja Gläubige. Sie glauben und basta.“

***

Martin Lercher im Oster-Leitartikel der Dolomiten 30.03.2024 (verkürzt):

„Ostern feiern heißt, […] aus der tiefen Hoffnung auf die bereits im Hintergrund tickende Wende leben. Die Auferstehung lässt Menschen aufstehen [Sie] helfen freudig mit, das Gute voranzubringen. Denn sie stehen auf der richtigen Seite.“

Das φ bei Orφeús ist der griechische Buchstabe phi, gesprochen „f“.

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