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DIE FRÖSCHE

Georg Dekas
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1. August 2023

Dionysos steigt sogar in den Hades hinab, um einen Propagandisten zu holen, der das marode Athen wieder aufrichten könnte. Lästig findet der Gott nur das wichtigtuerische Quaken der Frösche. Hier eine Südtiroler Froschata Anno 2023.

Während Unterfertigter NUiS a Südtiroler Blog als Eremitage betreibt (was dem Urenkel des Wirtes «Beim Einsiedler» in der Naif doppelt gut ansteht), ist das Bozner Portal «Salto.bz» ein urgrünes Biotop, in dessen Kommentar-Tümpel das übliche Dutzend Kröten einander Tag für Tag mit einem monotonen Quak Quak anraunzen.

Geht es dann um Burschenschaften, Neonazi und Deutschtum, schalten sich noch zwei weitere dazu, Nationalitaliener ihres Zeichens, und nicht sehr gnädig eingestellt zu den lokalen Lurchen, Schnecken und Libellen im vergrößerten Biotop der Autonomen Provinz. In einem furchtbar aufgeblasenen Italienisch fordern diese beiden, die deutsche Bio-Community in Südtirol müsse sich doch endlich von der braunen Vergangenheit lösen und offen ihr Mitläufertum und ihre Schandtaten einbekennen. Das «ohrenbetäubende Schweigen» dazu sei nicht auszuhalten. Regelmäßig werden diese zwei dann vom Klotz-Platz-Frosch in ebenso aufgeblasenem Italienisch daran erinnert, dass Italiener in Bezug auf Faschismus und Mussolini nichts dergleichen unternehmen, sondern sogar noch Postfaschisten an die Regierung wählen. Darauf k-linkt der italische Langzung-Nazifänger ein Pamphlet der Antifa Freiburg ein, um den braunen Bodensatz an der Etsch so richtig eine zu zünden. Ja, so gehts zu im Salto-Biotop.

Gut, wegwischen geht immer, das ist ja das Schöne am Internet. Nur, Krötengift bleibt immer irgendwo hängen, und sei es auch nur bei einer Tagesfliege. Folglich ist ein Storch angesagt, der mit seinem langen, spitzen Schnabel den Kröten ihr Quaken verleiden möge.

Der Storch spricht

Die allermeisten Italiener der Jahre 1921 bis 1943 waren glühende Faschisten, ideologische Zwillinge, Verbündete, Waffenbrüder und Helfershelfer der Nationalsozialisten. Nach 1945 wollte es keiner mehr gewesen sein. Während zuerst die Deutschen, etwas verspätet die Österreicher (und Südtiroler) zutiefst beschämt ihre Schande einbekannt und aufgearbeitet und, so gut es halt ging, getilgt haben, wiegen sich die Italiener immer noch im nonchalanten Selbstbetrug, ihr Faschismus sei lange nicht so schlecht und grausam gewesen wie der Faschismus der Deutschen.

Ein kleines Schaustück zur Sache: Vor einiger Zeit war Storch am Obersalzberg, wollte den «Adlerhorst» des Führers anschauen. Tabula Rasa. Ein Wald, wo früher von Berchtesgaden aus die Vernichtung von Millionen Leben ausging. Keine Spur vom Führer. Das übliche, traurige «Memorial Center». Und eine Fahrt zum «Eagles Nest» für Amerikaner. Gemeint ist die Bergstation einer Seilbahn. Nun aber ab nach Predappio, dem Heimatort Mussolinis. Ha, welch ein Leben, welch ein Treiben! Busse um Busse von Verehrern. Kamerateams und Reporter. Kirmes-Stimmung. Mussolini-Souvenirs und Devotionalien allenthalben, das Grab der Familie – eine richtige Wallfahrtsstätte, ein Tempel der Nostalgie, ein Ort, wo Schwüre erneuert werden. Wie zum Teufel hat es der eigentliche Erfinder des Faschismus, dieser Operetten-Diktator und Hitler-Pinscher Wuff-Wuff-Benito nur fertiggebracht, nicht in einem Atemzug mit dem Holocaust genannt zu werden?

Vielleicht, weil die Italiener ein besseres Gespür haben (was den Deutschen völlig abgeht), nämlich dass nicht alles, was in Italien zwischen 1921 und 1945 – im Falle von Deutschland zwischen 1933 und 1945 – geschehen und entstanden ist, allein an der Elle des politischen Systems zu messen ist. Dass es gleich neben dem Horror immer auch ein Leben, eine Kultur und eine Kontinuität gibt: Sogar eine ganze Menge davon, die in der Stunde Null nicht einfach gelöscht werden kann. Die kulturelle, wirtschaftliche und technologische Kontinuität zu damals gab und gibt es sowohl in Deutschland als auch in Italien, so wie überall auf der Welt. Nicht zuletzt die Amerikaner haben viel Nazi-Luft eingesaugt und mitgenommen. Vielleicht sollten die Gift-Frösche vom Salto-Biotop diese elementaren Tatsachen auch mal für Deutsche und Südtiroler gelten lassen.

Noch besser aber wäre es, wir alle schauten auf heute! Schon wieder ist sie da, die «Achse» (vorläufig nur die A22, die über Tirol drüberfährt). Schon wieder sind die mit Warnwesten uniformierten Weltverbesserer auf den Straßen, wieder senden Führer Panzer gegen Russland (diesmal Frauen), zwängen übernationale Großorganisationen Menschen in digitale Käfige. Alles im Namen des höher stehenden Menschen und des Staates. Nein, das ist keine «Verharmlosung» des Nationalsozialismus oder gar des Holocausts, meine Damen und Herren Frösche.

Schönen Gruß vom Storch Aischylos.

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