Spergser, eine Spurensuche von Georg Dekas
Die adeligen Spergser
Der berühmteste „Spergser“ ist wohl der Kartograph, Historiker und kaiserliche Hofbeamte Joseph von Sperges auf Palenz und Reisdorf (1725 bis 1791). Sperges hat die erste Landkarte Südtirols gezeichnet (1754). Seine bahnbrechende Arbeit aber war die „Tirolische Bergwerksgeschichte, mit Urkunden“ (Wien 1765). Zur Abstammung sagt eine Dissertation (Franz Pascher, 1965):
„Der Vater des Joseph von Sperges, Anton Dionys Spergser [!], entstammte einer weitverzweigten Tiroler Bürgerfamilie. Seine Vorfahren bekleideten bereits seit Generationen öffentliche Ämter oder waren als landesfürstliche Beamte zu Ansehen und Würden aufgestiegen. Bereits 1515 bekleidete ein Spergser das Richteramt zu Glurns im Vintschgau.“ (mehr weiter unten).
Pascher weiter: „Eine Linie der Spergser, ausgehend vom Bruder des Großvaters unseres Anton Dionys, führte die Pflegsverwaltung der Herrschaften Imst und Landeck. Diese Linie war für ihre treuen Dienste von Leopold I. im Jahre 1696 mit dem Prädikat „von Grienberg“ geadelt worden.“
Vater Anton Dionys wurde 1732 mit dem Prädikat „von Spergs“ in den Ritterstand erhoben. Joseph von Spergs (später Sperges) wurde in Innsbruck geboren (Innstraße) und starb in Udine.
Innsbrucker Nachrichten 1928: „Sperges starb in Wien am 26. Oktober 1791 und wurde nach Innsbruck überführt, wo er in der Mariahilfkirche beigesetzt wurde. Ein mächtiger Sarkophag, von der Meisterhand Jakob Gunters, schmückt sein Grab.“
Der Glurnser Mäuserichter
„1519 kam es in Glurns zu einem einzigartig kuriosen Prozess: Unter dem Richter Konradin von Spergser wurden die Mäuse im Umfeld der Stadt angeklagt, weil sich scheinbar die Stadt anders gegen die Plage nicht mehr zu helfen wusste. Nach einer umfassenden Beweisaufnahme, wo auch ein Anwalt der Mäuse anwesend war, wurde beschlossen, dass die Mäuse, zwar aufgrund ihrer Natur unschuldig seien, sie aber trotzdem die Region verlassen mussten. In Anbedacht der Situation, dass es auch neugeborene und schwangere Mäuse gab, wurde ihnen zweimal eine Frist von 14 Tagen gewährt. Dass sich die Nager nicht daran hielten, versteht sich von selbst.“ Das schreibt Mag. Michael Fritz in:
https://www.geschichte-tirol.com/orte/suedtirol/vinschgau/1024-glurns.html
Nun ist die Sache bei näherem Hinsehen gar nicht so drollig. Es geht nicht um possierliche Disneymäuse, auch nicht um Maulwürfe, es geht um „Lutmäuse“, also Wühlmäuse (Arvicolinae). Diese Nager anrichten nach Wikipedia und nach den Aussagen des damals Zeugen Minig Waltsch aus Sulden gehörigen Schaden an Fluren und Ernte. Tierprozesse sind bekannt in der Geschichte und haben einen ernsten Hintergrund. (Berkenhoff, Hans Albert: Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tiertötung im Mittelalter – Bühl in Baden, 1937 Quelle DRW)
Im Buch „Tyrol, vom Glockner zum Orteles, und vom Garda- zum Bodensee : 1833-34“ von August Lewald, 1835, finden sich Auszüge aus einer Art Protokoll zum Prozess. Es geht um einen Bauern namens Fliss, der „ein Recht zu führen willens sey“. (Man beachte die strukturelle Gleichheit von engl. „lawsuit“ und „ein recht führen wollen“.) Konrad Spergser ist einer der drei Richter, und jetzt braucht Kläger Fliss noch einen Verteidiger, wozu sich Hans Grünebner bereit erklärt: „hat zu verstehen geben, wie er, Hansen Grinebner, als Procurator und Gewalthaber der unvernünftigen Thierlein, genannt Lutmäuse, […] herfürtreten [wolle]“. „Darauf hat [Zeuge] Minig Waltsch aus Sulden bekennt und geseit, dass ihm wohl wissend sei […]“.
Mir scheint, dass die Bauern eine (kanonische) Rechtsgrundlage anstrebten und erhielten, das sie für die Zeit der Plage ihrer Zinspflicht enthebt. Eine ernste Sache und durchaus rational in feudalherrschaftlichen Zeiten.
N.B. Mit Vergnügen habe ich das obervinschgerische „geseit“ (gesagt) gelesen, das ich als „hon i it gsayt“ von meiner Kindheit und Sommerfrische auf der „Hoad“ her kenne.
Der kaiserliche Feldherr
„Zum 400jährigen Gedächtnis“ des Bauernkrieges von 1525 in Tirol bringt eine Innsbrucker Zeitung einen langen Artikel (von Karl Paulin) zum Hergang der Ereignisse im Tirol des Jahres 1525 rund um Michael Gaismayr. Dort heißt es:
INNSBRUCKER NACHRICHTEN 14.08.1925
„Im italienischen Teil des Landes züngelte der Bauernkrieg noch länger fort, brach aber schließlich nach heftigem Kampf um die Stadt T r i e n t, den der Sieg des kaiserlichen Feldherrn Konrad Spergser entschied, zusammen. Nun brach das Strafgericht über die Aufständigen herein.“
Die „Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit“ (Bd.2) von Josef Egger, 1876, weiß mehr über den kaiserlichen Feldherrn.
„In der That machen sich am 31. August die Bewohner von Tajo und die der benachbarten Pfarreien, 3000 Mann stark, nach Trient auf; doch als sie zum Rochettapaße kommen, hören sie, der kaiserliche Feldherr Konrad Spergser sei vom Vall Tellina her mit einer bedeutenden Anzahl Fußvolk im Anzuge“
Josef Egger stellt auch in Band 1 von „Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit“ (Bd.1, 1872) die Verbindung Glurns/Spergser mit dem berühmten „Sacco di Roma“ (1527) her.
„Als 35—38 Fähnlein sich angesammelt, trat Georg von Freundsberg den Marsch nach Italien an; als er mit seinen Schaaren in die italienische Ebene hinabgestiegen, wandte sich das Blatt. Wenige Monate darauf stunden die Kaiserlichen vor Rom. Es ist nicht meine Sache zu erzählen, wie sie die ewige Stadt erstürmt und geplündert, wie sie den Pabst in der Engelsburg belagert; nur das will ich bemerken, daß im kaiserlichen Heere viele Tiroler waren, daß Ludwig von Lodron und Konrad Spergser von Glurns, Tirols größte Kriegshelden in jener Zeit, sich bei der Erstürmung der Stadtmauern rühmlichst hervorthaten.“
Sind der Mäuserichter und der Feldherr ein und derselbe Mensch? Uungefähre Aufklärung kommt aus „Die Stadt Glurns : ein Gedenkblatt zur 600jährigen Jubelfeier (1304 – 1904)“ von Karl Karner, 1904, S.59:
„Um die Nonsberger Bauern zur Ruhe zu bringen, wurde unter anderem auch Konradin Spergs von Glurns, der eben in Vinstgau eine Anzahl Landsknechte für den Kaiser in Italien warb, beordert, seinen Weg durchs Nons- und Sulztal zu nehmen. Zur Unterwerfung der aufständischen Bauern erschien auch als kaiserlicher Feldherr Konrad Spergser, der demselben Geschlecht wie der früher erwähnte angehörte. Im September des Jahres 1525 wurde der Aufstand fast ganz unterdrückt. Nun begann die Bestrafung der Rädelsführer.“
Diese „Auseinanderdividierung“ durch Karl Karner erscheint mir nicht sehr überzeugend. Im „Schlern“ 01.09.1954 vermerkt Josef Pardeller: „Richter in Glurns 1520 Conradin Spergser (Vater des Conradin Spergser, Hauptmanns des Frundsbergers).“
Das ist schon etwas genauer. Wären der Richter und der Feldherr eins gewesen, dann müssten wir diesen Doppel-Konrad als den berühmtesten Spergser bezeichnen und dem Innsbrucker von Sperges Rang zwei zuweisen. Aber Vater und Sohn ist auch nicht schlecht. Und weil das Stöbern in alten Büchern so schön ist, hier noch eine Erzählung zum Haudegen und Ritter Konrad.
„Im Juni setzten sich die Truppen der „heiligen Liga“ gegen Mailand in Bewegung. Dort war Pescara am 30. November 1525 gestorben und Karl von Bourbon hatte den Oberbefehl über das kaiserliche Heer erhalten, welches aber durch den fortdauernden Geldmangel von Tag zu Tag schwieriger wurde. Die aliirten Truppen hatten schon Lodi erstürmt, als sie bei Cremona in ihrem Siegeslaufe aufgehalten wurden. Ein alter Kriegsgefährte Frundsbergs, der wackere Ritter Konrad Spergser von Glurns, hielt diesen Platz besetzt und schlug mit seinem Häuflein Landsknechte so lange die Stürme der Verbündeten zurück, bis diese ihm und seinen Gesellen freien Abzug zusagten, um ihre Kräfte nicht zu zersplittern. Mit fliegenden Fahnen und blinkenden Waffen verließen Spergsen und seine „Cremoneser Knechte“, wie man sie fernerhin nannte, die ruhmvoll vertheidigte Stadt [28. September 1526] und zogen sich auf tirolisches Gebiet zurück, während die Aliirten gegen Mailand marschirten und dasselbe einschlossen.“
(Ritter Jürg von Frundsberg : Herr von Mindelheim der Landsknechtvater; ein Lebensbild aus der letzten Ritterzeit; von Heinrich v. Wörndle, 1886, S.47)
Die rätischen Spergser
Von Conradin bis Dionys scheint es, als ob die Spergser im rätischen Dreiländereck zwischen Glurns und Landeck zuhause wären, und das in durchaus gehobener Stellung. Als Bewohner der Burg Tarasp (österr. Außenposten im Engadin bis 1798) ist z.B. verzeichnet: „1719: Fr. Jos. Sperzger, Pixenmaister.“ (Die Heimat : Blätter für Heimatkunde und Heimatschutz in Tirol ; 1913/14, Poetzelberger 1913)
Frage: Gibt es Spergser da oben auch im gemeinen Volk? Ja.
„Der Fahrer und Besitzer des Wagens, der Kaufmann Karl Postingel, erlitt Schürfwunden am Nasenrücken und am rechten Augenlid, die Kellnerin Helga Spergser eine Nasenbeinprellung, eine Quetschwunde an der Oberlippe und Abschürfungen an beiden Knien. Der Wagen mußte abgeschleppt werden.“ (Unfallbericht aus Landeck in Volkszeitung 30.03.1956)
Die Spergser vom Ritten
Es gibt noch eine Gegend, aus der es Spergser sprudelt. Tarneller nennt im Kapitel über die Hofnamen am Ritten: „Spergser (Sperzger). FN. urspr. von Melten stammend, 1778 Spergsergüetl, 1657 Hans Spergser zu Unterplatten.“ (Josef Tarneller, die Hofnamen im unteren Eisacktal 1924). Am Ritten wird 1860 ein Gut versteigert (Quelle „Bothe“), in dem das „so genannte Spergser Lärchwaldele“ inbegriffen ist. Vom Ritten ist der Weg nicht weit herab nach Bozen, Nals, Brixen, Lana. In Bozen zeigt der Spergser-Name stabile Präsenz, nachweisbar im Bürgerbuch Bozen 1551-1806; der erste Spergser ist „vom Ritten stammend“. Dann, Überraschung, nennt uns Tarneller in Nals einen Müller namens Johann Spergser: „(M. Mül v. G. 1780 Behausung und Müle (Joh. Sperzger).“ (Tarneller Hofnamen, 1909). Das ist fast zeitgleich zum Grabfresko in Mitterlana (1778) mit dem sich der Valentin Spergser, Schönmüller, eine Erinnerung geschaffen hat (siehe weiter unten.) Ferner scheinen die Rittner Spergser auch nach Brixen abgelegt zu haben, und zwar tüchtig:
„Hotel Elefant, Brixen … Besitzer … 1713 Gasteiger van Sand in Taufers, 1746 Reinisch von Velthurns, 1773 Sperzger, 1806 Mayer und endlich seit 1869 Heiß. Der alte gute Ruf des Hauses ist demselben bis zum heutigen Tage treu geblieben…“ (Meraner Zeitung 25.09.1924)
Beachte die Zeitlinie Nals – Lana – Brixen – alle um 1770 herum. Sogar eine Elisabeth Spergser kommt prominent hervor.
„Anfrage. Im Hausinventar des Hotel Elefant in Bressanone, das anläßlich des Absterbens des Anton Sperzger 1786 aufgenommen wurde (die Tochter Elisabeth Sperzger heiratete dann den Urgroßvater des jetzigen Besitzers Josef Calasantius Mayr) findet sich ein eigenes Juden-Zimmerle (Inventar: 1 Halbtischl, 1 Tischl mit hartem Holz eingelegt, 4 lederne Seßl, 1 Pettstadt). Sollte zu jener Zeit hierorts noch eine Vorschrift bestanden haben, in den Tavernen die Juden gesondert unterzubringen?“ (Der Schlern 01.01.1928)
Die Spergser in Bozen
In Bozen gibt es mehrere Spergser, so z.B. Paul Spergser in jener Bozner Schützenkompanie, die 1797 gegen die Franzosen ins Fleimstal ausrückte (9. Corporal). [Quelle: Zeitung]
Wirklich aufschlußreich ist ein Beitrag von Leopold Kramar in „Schlern“, 01.01.1937. Mit Blick ins Bozner Tauf/Trauungs-/Sterbebuch geht er der Familiengeschichte eines Historienmalers aus Bozen nach. Dabei erfahre ich zu meinem großen Erstaunen, dass der Familienname fließend von Spezger zu Sperzger und Spergser geht. Nun gibt es sogar noch einen „Spetschger“ obendrauf.
„Spezger. Die Spezger stammen vom Rittnerberg. Die Großeltern des Malers sind Anton Sperzger und Margareta Tschayer. Jener war Förner-Baumann auf Guntschna, gest. Gries. 2. März 1773, 49 Jahre alt (Stb. 1. S. 448). /// 2. Josef Sperzger (Bz. Bürgerbuch Nr. 10561), geb. Gries, 11. Februar 1759. ///3. Anna Sperzger, geb. Gries, 28. März 1761 /// 4. Georg Sperzger, geb. Gries, 5. April 1763. /// Er ist der Vater des Malers. Das Bz. Trb. (5, f. 98) bezeichnet ihn als in Gries aufgenommenen Inwohner und hat die Namensform Spezger. /// 5. Maria Sperzger /// Aus der Ehe des oben unter 4. genannten Georg Spezger mit Katharina Faßelfoner entsprossen folgende Kinder: 1. Matthias Georg Spetschger /// Als das siebente und jüngste Kind wurde der Maler Georg Johann Spezger geboren, u. zw. zu Gries am 13. März 1801.///“
Hätte ich diesen Bericht früher gefunden, hätte ich mir Einiges erspart bei meiner etymologischen Turnübung, die ich getrennt herausgebe. Doche hatte ich einen guten Riecher, als ich nichtsahnend „Spetzger“ intuitiv zu „Spergser“ stellte. Dann ist da bei Kramar noch etwas, was hellhörig macht. Es vorherrscht in Bozen/Gries der Vorname Georg, und der ist typisch für die „Stadler“ in Lana.
Die schöne Gugger-Mühl
Vom Grabfresko her muss Valentin Spergser ein wohlhabender Mann gewesen sein. Nun ist die Schönmühl gut bekannt in Mitterlana, und zwar als Guggermühle und „Guggerle-Müller“. Tarneller: „Guggermül. S. 1757 Guggerle Müller, Schenmül und Stampf unter S. Beter mit Tail und Gmain, 1749 Schennmihl, 1570 die Schenmül unter S. Peter ist ein söldguet.“ Der „Gugger“ liegt eng zwischen dem Krogner Ansitz und dem Steinbogenhof oder Zagler, dem Stammhaus der Marmeladen-Zuegg. Früher floss der Mühlbach mitten durch deren Hof. Auf einem romantisierten Aquarell der Zuegg sieht man den „Stainpogen“, also die Brücke über den Mühlbach. Im Bild der Krogner, im Hintergrund der Dachfirst der Guggermühl, rechts der zugewachsene Steinbogenhof-Stadel. Dort wo der Kies ist, floss früher der Mühlbach vom Gugger heraus.
Die Stadler-Spergser
In Lana ist der Familienname Spergser allerdings nicht mit der Schönmühle, sondern mit dem Stadlerhof beim Kirchlein St. Margarethen in Niederlana verknüpft.
Tarneller: „Stadler. 1/2 H. 1749 Stadlerhof m. T. u. Gm. in N. Lanan, 1508 Stadlhof paut Gebhart Stadler, 1469 Laurenz Stadler von S. Margreten, 1453 Gebhart Stadler, 1430 der Stadler von s. Margreten.“
Wann und wie werden Spergser die Besitzer des Stadlerhofes und somit Nachfolger von Gebhart und Laurenz Stadler? Ist der Müller Valentin Stadler von der Schenmihl ein Vorfahre jenes Spergsers, der erstmals in den Besitz des Stadlerhofes bei der Kirche St. Margarethen kam? Diese Fragen betreffen nur die Familie.
Neue und gekürzte Fassung, August 2025 .Verfasst von Georg Dekas, Dr. phil.