Die Rede zum Ersten Mai von FPO-Chef Herbert Kickl in Linz.
Rhetorisch und inhaltlich eine Wohltat. Mundwerk populär, griffig, angstfrei. Warum sage ich angstfrei? Weil es die Angst ist, sich zu blamieren, als unmodern zu gelten, als ewiggestrig beschimpft zu werden, welche die meisten Leute in die Fänge des politisch korrekten Sagens treibt. Kickl ist anders. Er gendert nicht ein einziges Mal. «Liebe Freunde», sagt er einfach, klar, hunderte Male und ‚all inclusive‘. Hat keine Angst, ein «Volkskanzler» zu sein. Er will es werden. «Es liegt etwas Großes in der Luft!» Ein Kanzler fürs Volk. Die große Umkehr. Nach unten dienen und nach oben, Richtung EU, WHO etc., «die treten, die es nicht gut meinen mit Euch». Keine Angst, das Prädikat «total» in den Mund zu nehmen. Soweit der Modus. In der Sache ein klares Schwarz-Weiß-Bild. Auf der anderen Seite stehen alle Günstlinge, alle feigen und dummen System-Lakaien. Hier stehe ich, Herbert Kickl und meine FPO als die einzige Partei der „Wahrheit und Gerechtigkeit“ gegen den ganzen Haufen.
Und das ist nicht nur Rhetorik. Kickel rechnet es genau herunter anhand des Corona-Sündenfalls der Lockdown-, Testzwang-, Berufsverbot- und Impfpflicht-Parteien. Er weist alles zurück, wofür diese „Einheitspartei“, steht. Die Corona-Spaltung, die infantile Kriegstreiberei (Obacht, ich verwende hier den Ausdruck von Papst Franziskus bei seinem Besuch in Budapest!), die Anbetung der Regenbogenfahne und der Klimaterrorismus. Eine Ampel möchten sie bilden und Österreich zugrunde richten wie Deutschland. Das brauchen wir nicht. „Ist es denn so schwer zu verstehen, dass einem das Hemd näher ist als der Rock? Zuerst schauen wir auf unsere Leute, und wenn dann noch etwas übrig bleibt, können wir etwas verteilen.“ Kickl bleibt im Hausverstandsmodus, versteigt sich nicht in modische Phrasen, hohle Formeln.
Herr Bundespräsident, denken sie daran, dass in einer Demokratie Stimmen gezählt werden und nicht gewogen. Kickl zum Ersten Mai: Zweimal nimmt er Anleihen bei Bruno Kreisky: «Gehen wir ein Stück des Weges miteinander» ruft er den enttäuschten Sozialdemokraten zu, die er im Festzelt eigens begrüßt, und als er das Getue der Schickimicki-SPÖ geißelt, sagt er «da war der Bruno Kreisky aus einem anderen Holz geschnitzt». Kickl will mehr Orban in Österreich. Mehr Paprika, wie er sagt, und dafür wolle er gerne der Chefkoch sein, der die Würze in das Gulasch gibt. «Ewig können’s den Termin nicht hinausschieben», sagt er, dann gibt es Bundestagswahlen, und dann wird er da sein, um sein Volk zu retten.
Während ich die Rede des Volkstribuns verfolge, blende ich kurz hinüber auf den Rathausplatz in Wien und traue meinen Augen nicht. Wie auf dem Roten Platz in Moskau schwenken da auf einer überhöhten Tribüne drei Leuterln huldvoll rote Taschentücher über der Menge. Sagte ich Menge? Lichte Reihen waren es. Vorbei die Zeiten der Massen. Ein Hauch von Sowjet-Folklore, getragen von arrivierten Promis und deren Tross. Schnell zurück ins blaue Bierzelt nach Linz. Dort schwenkt man, nach der Rede, Nationalfahnen und singt die Bundeshymne. Kickl hört man gut heraus wegen Mikro, er hat eine wohltuend melodiöse Stimme, und natürlich singt er «Heimat bist du großer Söhne». O du mein Österreich.
Nachbetrachtung
Zum Ersten Mai hat der Schreibende ein besonderes Verhältnis. Nicht nur, weil ich dieses allerheiligste Fest des Sozialismus in seiner ganzen Pracht als Student im Wien von Bruno Kreisky erleben durfte, sondern auch, weil ich als Industriearbeiter in Schweden selbst mit dabei war im großen Zug der Arbeiterbewegung. In der Fraktion der studentischen Maoisten. Malmö, Stora Torg, 1973. Ein halbes Jahrhundert her. Was für Zeiten, ja, «et nos in illis».